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Die besondere Bauweise und Architektur der Wasserhäuser leitet sich zum einen aus der technischen und wirtschaftlichen Funktion, zum anderen aus einem für die Zeit des Überganges vom 19. zum 20. Jahrhundert typischen Architekturstil für öffentliche bzw. repräsentative Gebäude ab. Die meisten Wasserhäuser, die um die Jahrhundertwende entstanden, sind im Stil des Historismus sowie im Jugendendstil gebaut worden. Man übernahm diese bereits bekannten Bauformen und schmückte sie mit ortsbezogenen Stilelementen und Ornamenten aus.

Die Bauform der Wasserhäuser in unserer Region besteht aus runden, rechteckigen, quadratischen, pyramidalen, gedrungenen und gestreckten Baukörpern. Typisch für die Wasserhäuser in Ober- und Mittelhessen sind die Ausführung in grob behauenem Naturstein der Frontseite und der Seitenflügel. Als Gestaltungselemente treten glatte oder behauene Mauerabdeckungen, teilweise mit gekröpften Seitenkanten hervor. Dabei fällt die Symmetrie des Gebäudes auf.

Das Baumaterial der Wasserhäuser, grob behauener Naturstein, stammt aus den Steinbrüchen der jeweiligen Region. Folglich sind die Wasserhäuser im Vogelsberg- entsprechend ihrer geologischen Beschaffenheit - aus Basalt und in der Wetterau und im Ebsdorfergrund sowie im Odenwald aus Buntsandstein gebaut. Die Architektur der Wasserhäuser zeichnet sich als eine Art "Schutzarchitektur" aus, die wesentliche Stilelemente einer mittelalterlichen Schutzburg trägt.

Schon das massive Mauerwerk aus grob behauenen Natursteinen der Fassade sowie der weit ausgreifenden Seitenteile, die den Druck des aufgeschütteten Erwalls über den beiden Wasserkammern abfangen sollen, bringt diese Schutzfunktion zum Ausdruck. Bei einigen Wasserhäusern sitzen an den beiden Enden des Mittelteils sowie auf den auslaufenden Enden der Seitenflügel kugelförmige Steine, die den  Mauerabschluss bilden. Diese symbolischen Wächter sollen das kostbar Gut "Trinkwasser" vor  unbefugten Eindringlingen schützen.

Der Eindruck des Wasserhauses als Burganlage wird verstärkt durch Zinnen und Ecktürme. Das Brunnenhaus in Mainzlar ist in Form eines quadratischen, das in Trais, nahe Staufenberg, in Form eines kreisrunden Wehrturms gebaut. Beide Brunnenhäuser sind denkmalgeschützt und erhielten Preise für vorbildliche Restaurierung. Die Wassertürme Climbach, Berstadt und Reinhardshain gleichen in Form und Material (Basaltstein) den mittelalterlichen Wehrtürmen der Münzenburg in der Wetterau. Tierfiguren, wie die Löwenköpfe an der Obbornquelle in Obbornhofen und auf den beiden Flügeln der Eisentüren des kürzlich abgebrochenen Licher Wasserwerkes von 1911, haben die gleiche Schutz- und Schmuckfunktion. Eine schöne Symbolfigur ist die etwa 50 cm große Steineule auf der Fassade des Krofdorf - Gleiberger Wasserwerkes. Sie richtet ihren Blick von ihrem hoch gelegenen Standort unterhalb der Burg auf den Gleiberg.

Auch die Darstellung von Tierfiguren in Stadtwappen, wie der Widderkopf, das Stadtwappen von Buseck-Beuern, welches auf einem Steinfries über der Eingangstüre des Wasserhauses in Beuern dargestellt ist und der Kranich, das Wappentier von Leihgestern auf der neuen Eingangstür des renovierten Wasserhauses in Leihgestern sind typische Beispiele. Kunstvoll geschmiedete Eisenbänder und Türschlösser auf den schweren Eichen-bzw. Eisentüren sollen den Eingang zur "Wasseranlage" schmücken und sichern. Die befestigten Türen verstärken zusätzlich den Eindruck einer bewehrten Anlage.

Die Steinmetze und Dorfschmiede haben die Formensprache ihrer Werkstücke, die sie an den Wasserhäusern anbrachten, teilweise von Sakralhauten übernommen z. B. Oculi mit Strahlenkranz, gotische Fenster, verzierte Schlusssteine mit Jahreszahlen. Die Ziersteine und Schrifttafeln an den Wasserhäusern sind aus einem vom übrigen Bauwerk unterschiedenen Stein und heben sich optisch in Form und Farbe von diesem deutlich ab. Viele Schmuckformen stammen aus Musterbüchern, die den damaligen Handwerkern, Schreinern, Tischlern (Intarsien), Schmieden, Schlossern oder Steinmetzen zur Verfügung standen. Die Kenntnis dieser Mustervorlagen gehörte um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert zur Berufsausbildung der Handwerker, deren Beherrschung und stilvolle Anwendung zur Berufsqualifikation zählten.

Die Ausgestaltung der Wasserhäuser trug dementsprechend die "Handschrift" der ortsansässigen Handwerker, deren individuelle, mit Sorgfalt angefertigte Arbeiten gesellschaftlich anerkannt und wertgeschätzt waren. man wollte die Formensprache der nachfolgenden Generation vermitteln und war sich bewusst, dass diese Gebäude "Zeitzeugen" sind und über die Lebenszeit der Gründer hinaus Bestand haben sollte.

Konnten die Baumeister noch davon ausgehen, dass ihre Symbolsprache allgemein verstanden wurde, so können wir heute diese Zeichen nicht mehr ohne weiteres entschlüsseln. Die damals mit Bedacht gewählten Verzierungen muten uns heute wie verspielte Accessoires an. Es bedarf daher, wie auch bei den früheren Sakralbauten, der fachkundigen Erklärung. Die Übernahme historisch bekannter Formen war Ausdruck des Zeitgeschmacks für herausgehobene besonders geschätzte Bauwerke. Diese spezifische Architektur der Wasserhäuser mit Schmuckelementen von symbolischem Charakter hebt sich für den Betrachter heute von den späteren Bauformen der "Zweckmäßigkeitsarchitektur" der nach 1945 bis heute gebauten Wasserhäuser deutlich ab. Vielleicht ist es diese historische Besonderheit, die heutigen Betrachtern wieder die Architektur der Wasserhäuser nahe bringt uns sie als typisch und einmalig erleben lässt.