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Hessische Naturwaldreservate im Portrait
Herausgegeben von HESSEN FORST

Einführung

Das hessische Naturwaldreservate-Programm wird vom Landesbetrieb HESSEN
FORST und der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) in Abstimmung mit dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUELV) und in enger Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut Senckenberg sowie zahlreichen weiteren Wissenschaftlern umgesetzt. Die vielfältigen botanischen, zoologischen, pilzkundlichen und waldstrukturellen Untersuchungen in den Naturwaldreservaten sind ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der biologischen Vielfalt unserer Wälder und der in ihnen ablaufenden natürlichen Prozesse. Von Natur aus würden Buchenwälder in Hessen mehr als 90 % der Landesfläche einnehmen. Bedingt durch vielfältige Nutzungseinflüsse hat sich im Verlaufe vieler Jahrhunderte die Waldfläche und auch die Baumartenzusammensetzung unserer Wälder stark verändert. Dennoch zeichnet sich Hessen mit einem Anteil von fast einem Drittel der Waldfläche heute durch den höchsten Buchen-Anteil aller deutschen Bundesländer aus. Dies war Anlass, auch den Schwerpunkt des hessischen NaturwaldreservateProgrammes auf die Buchenwald-Gesellschaften zu legen.



Schoenbuche

Ein Waldgebiet, das die Buche bereits in seinem Namen enthält, ist das Naturwaldreservat „Schönbuche“ im Gieseler Forst westlich von Fulda. Es liegt inmitten der ebenfalls nach der Rotbuche benannten historischen Waldlandschaft „Buchonia“, die sich nach urkundlichen Belegen aus dem 8. bis 10. Jahrhundert n. Chr. im östlichen Hessen zwischen Vogelsberg, Rhön und Kaufunger Wald erstreckte. Für die in Umfang und Intensität einzigartigen zoologischen Begleituntersuchungen im Rahmen des hessischen Naturwaldreservate-Programmes hat das Gebiet der „Schönbuche“ eine besondere Bedeutung. Hier wurden von 1990 bis 1992 zeitgleich mit denen im Naturwaldreservat „Niddahänge östlich Rudingshain“, das etwa 23 Kilometer westlich der „Schönbuche“ im Hohen Vogelsberg liegt – die ersten faunistischen Untersuchungen des Forschungsinstitutes Senckenberg durchgeführt und die speziell für die Naturwaldreservate-Forschung entwickelten Methoden erprobt. Heute, rund 20 Jahre später, liegen für das Naturwaldreservat „Schönbuche“ vielfältige Forschungsergebnisse aus den Bereichen Waldstruktur, Vegetation, Flora und Fauna vor, die Eingang in die grundlagen- und anwendungsbezogene Fachliteratur gefunden haben. Mit der vorliegenden Broschüre sollen sie erstmals einem breiteren Leserkreis vorgestellt werden.


Schönbuche

Das Naturwaldreservat „Schönbuche“ liegt im Südwesten des Gieseler Forstes
und befindet sich etwa 13 Kilometer süd-westlich der Stadt Fulda. Das 1988 aus-gewiesene, 28 Hektar große Totalreservat und seine mit 27 Hektar fast ebenso große Vergleichsfläche umfassen die Forstabteilungen „Schönbuche“, „Seekasparsstein“ und „Storchsjagen“. Das Gebiet wird vom Forstamt Fulda betreut. Naturwaldreservat und Vergleichsfläche sind Teil des FFH-Gebietes „Schönbuche“, das auf 125 Hektar den Lebensraumtyp „Hainsimsen-Buchenwald“ schützt. Naturräumlich gehört der Gieseler Forst zum Unteren Vogelsberg, der den Hohen Vogelsberg ringförmig umschließt, nimmt jedoch innerhalb dieses von Basalt geprägten Naturraumes als überwiegend bewaldetes Buntsandsteingebiet (Mittlerer Buntsandstein) eine Sonderstellung ein. Die Mittlere Jahrestemperatur beträgt 7 °C; im langjährigen Mittel fallen 715 mm Niederschlag, davon 325 mm inseiner Umgebung lassender Vegetationsperiode.Vorherrschender Bodentyp auf den im unteren Teil überwiegend frischen, am Oberhang meist mäßig frischen, ost- bis südostexponierten Hangstandorten ist die Braunerde, die in größeren Teilbereichen des Naturwaldreservates Podsolierungsmerkmale aufweist.

Flur- und Forstortsnamen im heutigen Naturwaldreservat und in seiner Umgebung lassen sich mit natürlichen und historischen Gegebenheiten in Verbindung bringen. So dürfte sich der Name „Storchsjagen“ (Jagen = Forstabteilung) auf ein über längere Zeit bestehendes Vorkommen des Schwarzstorchs beziehen, während der „Seekasparstein“ die Grundlage zu einer in mehreren Varianten existierenden Sage bildet, nach der eine im 17. Jahrhundert lebende Person namens Seekaspar, die mal als Wilderer, mal als Landsknecht beschrieben wird, hier noch immer umgehen soll. Am nordwestlichen Rand des Naturwaldreservates verlief die erstmals im 8. Jahrhundert genannte „Alte Straße“ (auch „Antsanvia“), die als Höhenweg, ohne die Ortschaften zu durchqueren, von Mainz nach Erfurt und Leipzig führte. Auf dieser Strecke wurde wahrscheinlich im Jahr 754 n. Chr. der Leichnam des Bonifatius von Mainz nach Fulda überführt.

Schild                       Distriktstein                      Schildrot      

Der seit mindestens 1818 benutzte Forstortsname „Schönbuche“ deutet auf eine längere Tradition und die heute noch erkennbar gute Qualität der Baumart Buche im Gebiet des Naturwaldreservates hin, das zugleich inmitten der historischen Waldlandschaft „Buchonia“ (auch Bochonia, Boconia, Buochonia) liegt. Belege für dieses große Waldgebiet, dessen Name von der Buche abgeleitet wird, finden sich im 8. bis 10. Jahrhundert zwischen Kaufunger Wald im Norden und dem unterfränkischen Sinntal im Süden. Der dem Naturwaldreservat am nächsten gelegene Beleg betrifft die südwestlich von Neuhof gelegene Ortschaft Flieden, die 811 n. Chr. als im Waldgebiet „Buchonia“ liegend bezeichnet wird.Wie im gesamten Naturraum Vogelsberg spielte die Buche im Gieseler Forst nach pollenanalytischen Befunden von der Bronzezeit bis in die Neuzeit die wichtigste Rolle. Infolge zunehmender, zum Teil devastierender menschlicher Eingriffe (Holznutzung, Köhlerei, Waldweide, Streunutzung) und eines im 18. Jahrhundert starken Rotwildbestandes von 11-16 Stück je 100 Hektar nahm ihr Anteil dann vor allem zugunsten von Kiefer und Fichte ab. Der heute stark von Nadelholz geprägte Gieseler Forst war noch bis zum 18. Jahrhundert von Laubholz dominiert. Spätestens seit dem frühen 17. Jahrhundert wurden aber Kiefern eingebracht. Im heutigen Forstamt Fulda erinnern mehrere Forstbildstöcke an ausgedehnte Aufforstungen mit dieser Baumart. Der älteste von ihnen (dies ist den in Rommerz stehende Bildstock) steht etwa fünf Kilometer südöstlich des Naturwaldreservates und beschreibt die Anpflanzung von Kiefern („Tannen“) unter dem späteren Fürstlich Hessischen Ober-Forst- und Land-Jägermeister Caspar Moritz von Wechmar (1583-1644) im Jahr 1613.

Eine im "Journal für das Forst-, Jagd- und Fischerey wesens" erschienener Reisebericht aus dem Jahr 1793 bezeichnet die forstlichen Verhältnisse auf den Buntsandsteinböden des Unteren Vogelsberges als von schlechtwüchsigen Birken und Eichen geprägt und stark durch die Gewinnung von Stallstreu übernutzt: „…der Wuchs an den Eichen ist sehr elend, und Heide prädominirt. Horrende Strecken sind so bewachsen, und man löst dort beynahe mehr Geld aus der Heide, die zur Streu gehackt und gekratzt wird, als aus dem Holze. Warum man die Anzucht der Kiefer,… die sich ungleich besser auf diesen etwas mageren Sandboden schickt, nicht eifriger und aus allen Kräften betreibt, kann ich nicht begreifen.“ Der Anbau von Kiefern wurde dann von Ernst Friedrich Hartig (1773-1843) in seiner Eigenschaft als Oberforstmeister in Fulda ab etwa 1810 stark vorangetrieben. Streunutzung wurde bis zur Mitte des 19. Jh. ausgeübt. Bis zu dieser Zeit war es der Gemeinde Rommerz auch noch erlaubt, ihre Schafe auf bestimmten Waldflächen weiden zu lassen. Die endgültige Ablösung der Huterechte erfolgte dann zwischen 1871 und 1880. Heute ist die Wald-Kiefer, gefolgt von der Fichte, die im Gieseler Forst häufigste Baumart.

Die Bestockungsgeschichte des Naturwaldreservates „Schönbuche“ lässt sich mithilfe der Forsteinrichtungswerke bis in das frühe 19. Jahrhundert sehr gut zurückverfolgen. Bereits 1823 war das Gebiet durchgehend mit Buche bestanden und wurde im Hochwaldbetrieb bewirtschaftet. Die Verjüngung der Buchenbestände wurde hier in den 1830er Jahren eingeleitet. Da die natürliche Buchenverjüngung unter dem Schirm des Altbestandes nicht ausreichte, wurden ab 1838 Maßnahmen zur Vervollständigung ergriffen. Hierzu gehörten Bodenbearbeitungsmaßnahmen, eine Buchensaat auf größerer Fläche sowie kleinflächig Eichen- und Fichtensaat. Zugleich wurde zwischen 1838 und 1848 auf 8,3 Hektar die Pflanzung von insgesamt 14.140 bis zu 3 m hohen Buchen (Heisterpflanzung) im Abstand von etwa 2,5 Metern durchgeführt, die aus verjüngten Bestandesteilen entnommen worden waren. Ergänzend folgten 1846-1853 die Pflanzung von 26.000 Kiefern und Lärchen auf 3,2 Hektar, 1850-1864 die Pflanzung von 51.000 Fichten auf 6 Hektar, 1851/52 die Pflanzung von 10.000 5-jährigen Eichen auf 1,4 Hektar und 1859/60 die Pflanzung von 6.000 4-jährigen Buchen auf 0,7 Hektar.

Insgesamt wurden zwischen 1838 und 1864 Saaten auf 28 Hektar und Pflanzungen auf 20 Hektar durchgeführt. Noch heute sind im Totalreservat stellenweise Pflanzreihen in den Buchenbeständen gut erkennbar.Die letzte Hiebsmaßnahme erfolgte im Totalreservat 1986. Durch die Orkane „Vivian“ und „Wiebke“ im Februar/März 1990 fielen hier etwa 200 Festmeter Holz. In der durch die beginnende Endnutzung bereits stärker aufgelichteten Vergleichsfläche entstanden mit über 1.000 Festmetern deutlich größere Sturmschäden. Ein Gewittersturm im August 1992 warf in der Vergleichsfläche nochmals über 600 Festmeter. Nur kleine Schäden richtete der Sturm „Kyrill“ 2007 an. Kalkungsmaßnahmen wurden im heutigen Totalreservat noch 1987, in der Vergleichsfläche 1989 und 1991 durchgeführt.

Kurzcharakteristik des Naturwaldreservates

Größe Totalreservat: 28 ha,
Vergleichsfläche: 27 ha
geographische Lage etwa 13 Kilometer südwestlich von Fulda
Höhenlage 370-455 Meter über Meereshöhe
Naturraum Unterer Vogelsberg (Gieseler Forst)
Geologie Mittlerer Buntsandstein (mit Lössbedeckung)
Böden Braunerde, zum Teil podsoliert
Klima Berglandklima (submontan, schwach subkontinental)
Waldbestand Buchenwald
Vegetationstypen Hainsimsen-Buchenwald


Waldstruktur

Unmittelbar nach dem Beginn des Forschungsprogramms im Jahr 1988 wurde das Naturwaldreservat „Schönbuche“ per Stichprobenverfahren waldkundlich erfasst. Zu diesem Zeitpunkt waren Totalreservat und bewirtschaftete Vergleichsfläche aus 155 bzw. 144 bis 152 Jahre alten Buchenbeständen aufgebaut. Als Mischbaumarten waren Fichte und Eiche in geringen Anteilen zu finden. Dabei war die Eiche in die Buchenbestände eingemischt. Die Fichte kam in der Vergleichsfläche in Mischung vor und bildet im Totalreservat einen kleinen Reinbestand.

Zwei Jahre nach der Erstinventur haben die Stürme „Vivian“ und „Wiebke“ zu einigen Windwürfen im Totalreservat und der bewirtschafteten Vergleichsfläche geführt. Die entstandenen Lücken im Kronendach waren im Totalreservat Ansatzpunkte für die Ansamung und den Aufwuchs der Gehölzverjüngung, insbesondere der Rotbuche. Bereits vor der Ausweisung war mit der Ernte der Buchenbestände vor allem in der Vergleichsfläche begonnen worden. Die damit verbundene stärkere Auflichtung hat in der Vergleichsfläche zu erheblich höheren Sturmschäden geführt. Mittlerweile ist die Nutzung weit fortgeschritten, so dass sich Totalreservat und Vergleichsfläche deutlich auseinander entwickelt haben.

Im Totalreservat ist die Stammzahl geringfügig gesunken – ein Effekt der Windwürfe und des Ausfalls zwischen- und unterständiger Bäume. Im deutlichen Kontrast dazu hat die Baum Zahl in der Vergleichsfläche erheblich zugenommen. Hier wächst ein dichter Jungbestand auf, der deutlich höhere Anteile der Fichte enthält. Auch anderen Mischbaumarten, die im Totalreservat nach wie vor keine bedeutende Rolle spielen, kommen dort vor. Dies sind insbesondere Wald-Kiefer und Europäische Lärche. Durch die fortschreitende Ernte des Altbestandes konnte sich in der Vergleichsfläche die nächste Waldgeneration etablieren und entwickeln. Dennoch steht hier im Flächendurchschnitt immer noch ein Holzvorrat von rund 200 Festmetern (Kubikmeter) je Hektar. Der Zuwachs der verbleibenden Altbuchen hat zu einem gewissen Teil die erfolgte Holzentnahme kompensiert.

Im Totalreservat hat sich das Holzvolumen auf rund 500 Festmeter je Hektar erhöht. Dabei ist der Anteil der Mischbaumarten nicht erkennbar gesunken. Im Vergleich zu Buchen-Naturwaldreservaten auf wuchskräftigeren Standorten ist die Höhe des Holzvorrates vergleichsweise gering. So erreicht das Naturwaldreservat „Niddahänge östlich Rudingshain“ einen um knapp 200 Festmeter je Hektar höheren Wert.

Wie im lebenden Bestand zeigt sich auch in Bezug auf das Totholz ein Akkumulationsprozess im Totalreservat. Hier hat sich mittlerweile ein Vorrat von fast 30 Festmetern je Hektar angehäuft. In der bewirtschafteten Vergleichsfläche liegt die Menge des vor allem aus Ernteresten bestehenden Totholzes sogar etwas höher. Stehende tote Bäume und Stümpfe sind sowohl in Totalreservat als auch in der Vergleichsfläche recht selten.

Die weitere Beobachtung des Naturwaldreservates „Schönbuche“ wird zeigen, ob sich lebender Holzvorrat und Totholzmenge weiter erhöhen und welche Rolle Windwürfe und Alterungsprozesse in diesen bodensauren Buchenwäldern künftig spielen werden. Da sich die Buchen vermutlich erst am Beginn ihrer zweiten Lebenshälfte befinden, dürfte der Übergang zur nächsten Waldgeneration im Totalreservat noch längere Zeit auf sich warten lassen. Welche Chance Mischbaumarten wie Fichte und Eiche in diesem sich selbst überlassenen Buchenwald zukünftig haben werden, ist sicherlich eine von vielen interessanten Fragen für die weiteren Untersuchungen.


 

Bodenvegetation

Die Vegetation des Naturwaldreservates „Schönbuche“ wurde 2010 an den 51 Probekreisen auf 100 Quadratmeter großen Flächen aufgenommen. Dabei dominierte sowohl im Totalreservat als auch in der Vergleichsfläche der Hainsimsen-Buchenwald, die auch von Natur aus auf den bodensauren Standorten des Gieseler Forstes vorherrschende Waldgesellschaft. An je einem Probekreis fanden sich im Totalreservat wie auch in der Vergleichsfläche Nadelholzbestände mit Fichte und Lärche bzw. Fichte in der oberen Baumschicht. Während die Buchenwaldbestände des Totalreservates durchweg eine dicht geschlossene Baumschicht aufweisen, die im Mittel 85 % bedeckt, sind in der Vergleichsflä-che durch Holznutzung und Sturmwürfebedingt neben geschlossenen auch sehr offene Buchenbestände bis hin zu einzelnen Bereichen ohne Baumschicht zu finden. Der mittlere Deckungsgrad beträgt hier in der oberen Baumschicht 55 %. Nennenswerte Prozentanteile erreichen in der Vergleichsfläche auch die Nadelbaumarten Fichte (20 %) und Wald-Kiefer (12 %) in der oberen Baumschicht der Buchenwälder. Während im Totalreservat nur an 12 % der Aufnahmepunkte eine Strauchschicht gefunden wurde, die hier vorwiegend aus Verjüngung der Rotbuche besteht, weisen 80 % der Punkte in der Vergleichsfläche eine Strauchschicht auf. Auch hier dominiert die Verjüngung der Rotbuche (76 %), doch spielen Fichte (36 %) und Wald-Kiefer (12 %) ebenfalls eine nennenswerte Rolle.

Saumulde          seekaspar b 

Die Krautschicht der Wälder in der Schönbuche ist insgesamt vergleichsweise artenarm, allerdings bestehen zwischen dem Totalreservat (Mittelwert: 2 Arten, Maximum: 7 Arten) und der Vergleichsfläche (Mittelwert: 9 Arten, Maximum: 22 Arten) deutliche Unterschiede. Damit liegen die Artenzahlen noch unter denen der ebenfalls auf Mittlerem Naturwaldreservat „Goldbachs- und Ziebachsrück“. Dies ist vermutlich in erster Linie auf die im Naturwaldreservat „Schönbuche“ nährstoffärmeren Bodenbedingungen zurückzuführen. Die häufigsten Arten der Krautschicht im bewirtschafteten wie im unbewirtschafteten Teil des Naturwaldreservates sind Pillen-Segge (Carex-pilulifera), Draht-Schmiele (Deschampsia flexuosa), Weißliche Hainsimse (Luzula luzuloides) sowie Jungwuchs von Rotbuche, Fichte und Eiche. In der Moosschicht sind Wellenblättriges Katharinen-moos (Atrichum undulatum), Sicheliges Kleingabelzahnmoos (Dicranella heteromalla), Gewöhnliches Gabelzahnmoos (Dicranum scoparium), Zypressen-Schlafmoos (Hypnum cupressiforme) und Schönes Frauenhaarmoos (Polytrichum formosum)die häufigsten Arten. Die genannten Gefäßpflanzen und Moosesind durchweg charakteristisch für saure Böden.

Über die im ganzen Gebiet verbreiteten Blütenpflanzen und Moose hinaus treten in der Vergleichsfläche eine Reihe von Arten mit höherer Stetigkeit auf, die im Totalreservat fehlen oder sehr viel seltener sind. Hierzu gehören vor allem die Zeigerarten für Auflichtung und Bodenstörungen. Die wichtigsten sind Rotes Straußgras (Agrostis capillaris), Land-Reitgras (Calamagrostis epigejos), Hasenfuß-Segge (Carexovalis), Schmalblättriges Weidenröschen (Epilobium angustifolium), Flatter-Binse (Juncus effusus), Echte Brombeere (Rubus fruticosus agg.), Himbeere (Rubus idaeus), Gewöhnliche Brennnessel (Urtica dioica) und Wald-Ehrenpreis (Veronica officinalis). Auch unter den Moosen sind mit dem Kaktusmoos (Campylopus introflexus) und dem Purpurstieligen Hornzahnmoos (Ceratodon purpureus) zwei lichtliebende und durch Störungen geförderte Arten in der Vergleichsfläche vertreten. Das Kaktusmoos wurde in drei Probekreisen der Vergleichsfläche gefunden. Die Art stammt aus der südlichen Hemisphäre, gehört zu den wenigen gebietsfremden Moosarten (Neophyten) und ist erst seit 1967 in Deutschland nachgewiesen worden. Bei der ersten Vegetationsaufnahme im Naturwaldreservat „Schönbuche“ 1988 war die auffällige Art noch nicht gefunden worden; 1996 kam das Kaktusmoos jedoch bereits vor. Die Ausbreitung des Mooses erfolgt vorwiegend über die ungeschlechtliche Vermehrung durch abgebrochene Stämmchenspitzen, die durch Wind, Tiere und Menschen verfrachtet werden. Denkbar ist auch der Transport in den Reifen von Forstfahrzeugen.

Neben der Rotbuche erreicht nur eine Pflanzenart im Totalreservat eine deutlich höhere Stetigkeit als in der Vergleichsfläche, nämlich das Zierliche Schiefbüchsenmoos (Pseudotaxiphyllu elegans).- Die schattentolerante Moosart mit enger Bindung an geschlossene Wälder wurde im Totalreservat in fast der Hälfte der Aufnahmeflächen gefunden. In der Vergleichsfläche kam die Art nur einmal und zwar in dem mit 95 % Deckung der oberen Baumschicht geschlossensten Buchenbestand vor. Auch im Naturwaldreservat „Goldbachs- und Ziebachsrück“ ist die gleiche Beobachtung gemacht worden.

Am Südostrand der Vergleichsfläche sind teilweise sehr nährstoffarme und trockene Standorte zu finden, für die verschiedene Flechten der Gattung Cladonia sowie das Glashaar-Frauenhaarmoos (Polytrichumpiliferum) und das Blattlose Koboldmoos(Buxbaumia aphylla) charakteristischsind. Die Analyse der Waldbindung der im Totalreservat und in seiner Vergleichsfläche vorkommenden Farn- und Blütenpflanzen, Moose und Flechten zeigt, dass im Totalreservat Arten mit Bindung angeschlossene Wälder etwa einen gleichgroßen Anteil haben wie solche, die imWald wie im Offenland vorkommen. Das Laubmoos Rhytidiadelphus loreus, dessen deutscher Name „Schönes Runzelbrudermoos“ lautet, ist eine kalkmeidende Art, die in der Schönbuche auf Totholz wächst. Arten der Waldränder und -verlichtungen treten hier kaum auf. In der Vergleichsfläche machen hingegen im Wald wie im Offenland verbreitete Arten zusammen mit Waldarten,die ihren Schwerpunkt im Offenland haben, mehr als drei Viertel des Artenspektrums aus, während Arten der geschlossenen Wälder nur zu einem Fünftel Anteil haben. Auch hier spielen die Arten der Waldränder und -verlichtungen nur eine vergleichsweise geringe Rolle.



Zoologische Forschung

Zusammen mit dem Gebiet der Niddahänge östlich Rudingshain war die Schönbuche das erste hessische Naturwaldreservat, in dem vom Forschungsinstitut Senckenberg umfangreiche zoologische Untersuchungen durchgeführt wurden. Aus der Schönbuche wurden 1.884 Arten bestimmt, davon 1.324 aus dem Totalreservat und 1.513 aus der Vergleichsfläche. Da nur circa 35 % der Einheimischen Fauna bearbeitet wurden und in den untersuchten Tiergruppen durchschnittlich 13 % der aus Deutschland bekannten Arten gefunden wurden, kann davon ausgegangen werden, dass im Naturwaldreservat „Schönbuche“ über 5.000 Tierarten leben. Diese Artenzahl liegt drei- bis viermal höher, als vorher für einheimische Wälder angenommen worden war. Vertreter aus 36 Tiergruppen (Klassen bzw. Ordnungen) wurden im Gebiet nachgewiesen. Davon konnten 18 vollständig, 3 in Teilgruppen und 8 stichprobenartig bearbeitet werden. Der Schwerpunkt lag auf den sieben Standardgruppen (Regenwürmer, Spinnen, Wanzen, Käfer, Stechimmen [Bienen, Wespen, Ameisen], Großschmetterlinge und Vögel), die eine wichtige Rolle im Nahrungsnetz der Wälder spielen und deshalb vom Forschungsinstitut Senckenberg in allen Naturwaldreservaten und Vergleichsflächen untersucht werden.

Es wurde ein breites Spektrum an Fallentypen (Eklektoren an stehenden oder liegenden, lebenden oder abgestorbenen Stämmen, Bodenfallen, blaue, gelbe und weiße Farbschalen, Fensterfallen, Lufteklektoren, Bodenfotoeklektoren, Stubbensowie Totholzeklektoren und Lichtfanganlagen) eingesetzt sowie ergänzende gezielte Aufsammlungen durchgeführt. Mit den Fallenfängen wurden 498.930 Tiere gefangen, wobei Zweiflügler mit 158.989 Individuen die größte Gruppe ausmachten. Weitere individuenreiche Gruppen waren Springschwänze mit 109.903, Käfer mit 79.649, Spinnen mit 29.942, Milben mit 22.070, Wanzen mit 18.990, Hautflügler mit 17.348 und Schmetterlinge mit 12.431 Individuen.

Unter den vollständig untersuchten Tiergruppen nahmen die Käfer mit 749 Arten eine herausragende Stellung ein. Es folgten die Großschmetterlinge mit 276, die Hautflügler ohne Blattwespen und Stechimmen mit 264, die Spinnen mit 202 und die Wanzen mit 110 Arten. Bezogen auf die aus Deutschland bekannten Arten waren im Gebiet Regenwürmer (28 %), Weberknechte (22 %), Spinnen (20 %), Großschmetterlinge (18 %), Stechimmen (14 %) und Vögel (14 %) überdurchschnittlich vertreten.

Während Fransenflügler, Blattflöhe, Käfer, Großschmetterlinge und Vögel annähernd gleiche Artenzahlen in den beiden Teilflächen aufwiesen, waren Spinnen, Weberknechte, Wanzen, Zikaden und insbesondere die Hautflügler artenreicher in der Vergleichsfläche vertreten, die Schnecken, Regenwürmer, Staubläuse und Säugetiere hingegen artenreicher im Totalreservat. Die Tiergruppen mit hohem Anteil von Arten, die besonnte, offene Lebensräume lieben, profitieren von Schlagfluren, Windwurfflächen und besonnten Wegrändern in der Vergleichsfläche. 
 

In der Schönbuche wurden 425 faunistisch bemerkenswerte Arten gefunden. Die Zikadenwespe Anteon exiguum und die Plattwespe Bethylus dendrophilus konnten erstmals für Deutschland nachgewiesen werden; für die Plattwespe Cephalomia hammi gelang der erste gesicherte deutsche Nachweis. Insgesamt 42 Arten (18 Käfer-,     11 Spinnen-, 6 Hautflügler-,5 Rindenlaus-, 2 Wanzenarten) waren neu für Hessen. Von ihnen wurden 9 Käfer-, 7 Spinnenarten und eine Rindenlausart auch bei den parallel durchgeführten Untersuchungen im Naturwaldreservat „Niddahänge östlich Rudingshain“ gefunden. Weitere 154 Arten waren neu für den Naturraum Vogelsberg. Von den gefundenen Arten sind 128 auf der Roten Liste der gefährdeten Tiere Deutschlands aufgeführt.

Die Schönbuche ist geprägt durch zahlreiche typische Laubwaldarten, ergänzt durch ein reiches Spektrum an Tieren offener Bereiche wie besonnte Wegränder, Schlagfluren und Windwürfe. Viele Arten, die in und am Holz leben, benötigen auch blütenreiche Flächen zum Nahrungserwerb. Diese Kombination führte zu einem erheblich größeren Artenreichtum als es der von Natur aus kraut- und strauchschichtarme Hainsimsen-Buchenwald erwarten ließ.


Regenwürmer

Insgesamt 9 Regenwurmarten wurden nachgewiesen. Dabei dominierten mit Lumbricus eiseni und Dendodrilus rubidus zwei Arten, die als typische Bewohner der Streuschicht (Laubstreu) von Wäldern gelten. Beide Arten klettern aber auch an Baumstämmen hoch und kamen hier überwiegend an den stehenden und liegenden Stämmen vor. Normalerweise sind Regenwürmer im Frühjahr und Herbst am aktivsten und werden am häufigsten gefunden. Im Gebiet der Schönbuche wurden an den Stämmen die meisten Regenwürmer im Herbst und am Boden im Frühling und Frühsommer gefangen.

Spinnen

Von den deutschlandweit rund 1.000 und hessenweit über 700 bekannten Spinnenarten wurden im Naturwaldreservat „Schönbuche“ 202 erfasst. 148 Arten wurden im Totalreservat und 178 in der Vergleichsfläche gefangen. 126 waren am Boden aktiv und 152 wurden an Baumstämmen in Stammeklektoren gefangen. Waldarten überwiegen bei weitem. Dabei sind Arten trockener Wälder stärker vertreten als solche feuchter Wälder. Der Artenreichtum an Spinnen ist insbesondere durch die Strukturvielfalt in den lichteren Windwurfbereichen der Vergleichsfläche erklärbar. Vielen Spinnenarten genügen kleine Flächen mit den von ihnen bevorzugten Strukturen und deren Mikroklima. 11 Arten wurden in der „Schönbuche“ erstmals für Hessen nachgewiesen, sieben davon wurden auch im zeitgleich untersuchten Gebiet der „Niddahänge östlich Rudingshain erfasst.


Wanzen

Wanzen traten arten- und individuenreich in der Kraut- und Gehölzschicht des Naturwaldreservates „Schönbuche“ auf. Mit Fallenfängen und gezielten Aufsammlungen wurden rund 19.000 Tiere aus 110 Arten gefangen, was 12 % der in Deutschland vorkommenden Wanzenarten ausmacht. Die Mooswanze Ceratocombus brevipennis und die Weichwanze Cremnocephalus alpestris konnten erstmals für Hessen nachgewiesen werden; sechs Arten waren neu für die Vogelsbergregion. Vier Arten sind in der hessischen Roten Liste geführt, Ceratocombus brevipennis auf der Roten Liste Deutschlands. Bereits bei den sechs dominanten Arten im Gebiet, die alle Gehölzbesiedler sind, ergaben sich deutliche Unterschiede zwischen Totalreservat und Vergleichsfläche. Auch beherbergte die Vergleichsfläche deutlich mehr Arten und Individuen, da sich dort warme besonnte Wegränder und Schlagfluren konzentrierten. Wie auch viele andere Insekten, bevorzugen zahlreiche Wanzenarten solche Lebensräume. Auf Grund ihrer Häufigkeit (z. B. Massenentwicklungder Weichwanze Psallus varians im Mai/Juni) und bei den großen Baummacht wanzen auch ihrer Biomasse sind Wanzen eine wichtige Nahrungsquelle für andere Tiere der Schönbuche. Über die Hälfte der gefundenen Arten besitzt ein enges Nahrungsspektrum; viele von ihnen leben an krautigen Pflanzen, die ihren Vorkommensschwerpunkt in offenen Waldbereichen haben. Bis auf die Wipfelwanze Acanthosoma haemorrhoidale leben alle dominanten Arten des Gebiets räuberisch (Loricula elegantula, Troilus luridus) oder nehmen sowohl tierische als auch pflanzliche Nahrung zu sich (Blepharidopterus angulatus, Phytocoris tiliae, Psallus varians). Dies zeigt, dass die Wanzen in der Schönbuche als Räuber bedeutsame Glieder der Lebensgemeinschaft darstellen und erst sekundär als Pflanzensauger von Bedeutung sind.

Käfer

Die Käfer sind mit 749 Arten mit Abstand die artenreichste der vollständig bearbeiteten Tiergruppen im Untersuchungsgebiet. Deutschlandweit liegen sie hinter den Zweiflüglern (Fliegen und Mücken) Plattwesund den Hautflüglern an dritter Stelle. Neben dem Nachweis von 18 Arten neu für Hessen wurden viele weitere seltene und gefährdete Arten gefunden. Darunter waren auch typische und anspruchsvolle Totholzbewohner. Allerdings fehlt die Gruppe der sogenannten Urwaldreliktarten, Arten, die an für Urwälder typische Alt- und Totholzstrukturen gebunden sind, vollständig. Dies ist durch die bis in die 1980er Jahre andauernde forstliche Bewirtschaftung und den im Vergleich zu Urwäldern geringeren Alt- und Totholzanteil der Schönbuche erklärbar.Im Rahmen der hessischen Naturwaldreservateforschung wurden „Urwaldreliktarten“ bisher nur im Gebiet des Karlswörth gefunden.


Stechimmen

 Zu den Stechimmen zählen die sozialen Ameisen, Bienen und Wespen, aber auch viele einzeln lebende und oft recht unscheinbare Hautflügler. Insgesamt wurden über 10.000 Stechimmen aus 177 Arten im Gebiet nachgewiesen. Dies entspricht 14 % der deutschen Fauna. Neu für Deutschland konnten die Zikadenwespe Anteon exiguum und die Plattwespe Bethylus dendrophilus nachgewiesen werden; für die Plattwespe Cephalonomia hammi gelang der erste gesicherte Nachweis. Neu für die auna Hessens waren vier Zikadenwespen (Aphelopus atratus, Aphelopus melaleucus, Aphelopus serratus, Anteon fulviventre) und die Plattwespe Bethylus boops sowie die Grabwespe Spilomena differens. 19 der gefundenen Arten sind auf der deutschen Roten Liste vermerkt, 17 auf der hessischen. Bienen, Grabwespen und Ameisen waren besonders artenreich im Gebiet vertreten. Die meisten Individuen wurden von Ameisen und Sozialen Faltenwespen nachgewiesen, die auch eine reiche Parasitenfauna besaßen. Die Vergleichsfläche beherbergte auf Grund ihres Strukturreichtums (besonnter Waldrand,Schlagflur, frischer Windwurf) fast doppelt so viele Arten wie das Totalreservat. Dies belegt nochmals, dass zahlreiche Arten auf das Nebeneinander von blütenreichen Offenflächen als Nahrungsquelle und Totholz als Nistmöglichkeit angewiesen sind.

Schmetterlinge

 Die deutschlandweit mit rund 3.600 Arten vorkommenden Schmetterlinge untergliedern sich in Klein- und Großschmetterlinge und letztere in Tag- und Nachtfalter. Bearbeitet wurden im Naturwaldreservat „Schönbuche“ nur die Großschmetterlinge, unter denen die Nachtfalter in einheimischen Wäldern die größere Bedeutung haben. Insgesamt konnten 276 Großschmetterlingsarten nachgewiesen werden. Es ist eine typische Waldfauna, die von Buchenwaldtieren geprägt wird. 25 Arten der hessischen bzw. deutschen Roten Liste wurden erfasst, darunter die in Hessen stark gefährdeten Arten Trauermantel (Nymphalis antiopa) und Dukaten Feuerfalter (Lucaena virgaureae).




 Vögel

Im Gebiet der Schönbuche wurden 36 Brutvogel- und 8 Gastvogelarten festgestellt. Mit 51 Revieren pro 10 Hektar lag die Siedlungsdichte für einen Buchenwald im durchschnittlichen Bereich. Im Mittel werden in Buchenwäldern 46 Reviere auf 10 Hektar gefunden. Im Vergleich zu anderen Waldtypen (Bruchwälder, Eichen- Hainbuchenwälder, Hartholzauenwälder), in denen 83 bis 152 Reviere pro 10 Hektar nachgewiesen wurden, sind Buchenwälder allgemein weniger dicht besiedelt. Die dominierenden Arten in der Schönbuche waren Buchfink, Zaunkönig, Rotkehlchen, Kohlmeise, Tannenmeise und Kleiber. An bemerkenswerten Arten wurden als Brutvögel Hohltaube und Gartenrotschwanz festgestellt, als Gastvögel Sperber, Dohle, Waldschnepfe und Wendehals.

Fledermäuse

Fledermäuse sind fliegende Säugetiere, die in Wäldern vielfältige Lebensräume finden. In Hessen sind es vor allem alte Buchen- und Eichenwälder, in denen sie Baumhöhlen aufsuchen und ihre nächtlichen Nahrungsflüge durchführen. Zielsicher orten sie im nächtlichen Wald kleine Gliedertiere, vor allem Insekten und Spinnen. Dabei vollbringen Fledermäuse für uns Menschen schier unglaubliche Ortungsleistungen. Mit Hilfe ihrer Echoortung fliegen sie durch den Wald und fangen Nachtfalter, Mücken, Käfer oder Netzflügler. Einige Arten fliegen selbst in das dichte Blattwerk der Kronen, um hier Beute zu machen. Unter den im Naturwaldreservat „Schönbuche“ nachgewiesenen Fledermausarten sind einige Arten mit besonderen Jagdtechniken vertreten. Das Braune Langohr beispielsweise ist in der Lage, die Krabbelgeräusche von Raupen und Spinnen auf Blättern zu hören. Dies ist vor allem wegen der großen und trichterförmigen Ohren möglich, die für die Art namengebend sind. Legen sie die Ohren nach hinten, so bedecken diese fast den gesamten Körper der kaum sechs Zentimeter großen Fledermäuse.Im Naturwaldreservat „Schönbuche“ bildet das Braune Langohr Wochenstubenkolonien aus. Dies bedeutet, dass sich in den Sommermonaten ca. 20-30 Weibchen zu einer Gruppe zusammenschließen, um gemeinsam ihre Jungtiere großzuziehen. Die Weibchen bekommen lediglich ein Junges, das nackt geboren wird und etwa fünf Wochen braucht, bis es zu einer flugfähigen Fledermaus herangewachsen ist. In dieser Zeit werden die Jungtiere von den Weibchen ausschließlich mit Muttermilch versorgt. Entsprechend hoch ist der Energiebedarf der Weibchen. Bis zu zwei Drittel ihres Körpergewichtes müssen sie im Laufe der Nacht an Insekten erbeuten, um nicht zu verhungern und genügend Milch produzieren zu können.

Während der Sommermonate wechseln Fledermauskolonien in Wäldern regelmäßig ihre Baumhöhlen. Bis zu 40 verschiedene Höhlen werden aufgesucht, und das alljährlich wiederkehrend und mit hoher Tradition. Wälder müssen somit eine hohe Baumhöhlendichte aufweisen, um Fledermauskolonien beherbergen zu können. In den Naturwaldreservaten ist die Baumhöhlendichte meist höher als in den bewirtschafteten Vergleichsflächen. In der Schönbuche konnten 15 Baumhöhlen pro Hektar ermittelt werden, während in der bewirtschafteten Vergleichsfläche mit 11 Höhlen etwas weniger zu finden waren. Beide Werte sind für Fledermäuse günstig. Sinkt die Baumhöhlendichte in einem Wald unter 10 Höhlen pro Hektar, so reduziert sich die Eignung für Wochenstubenkolonien. Bei der nächtlichen Nahrungssuche legen Fledermäuse je nach Art unterschiedliche Distanzen zwischen ihrem Wochenstubenquartier und den Nahrungsräumen zurück. Das Braune Langohr fliegt kaum einen Kilometer, meist sogar noch deutlich weniger weit. Die Größe eines Naturwaldreservates kann für eine Kolonie dieser Art somit schon nahezu ausreichen.

Andere Arten wiederum fliegen deutlich weiter. Das im Gebiet der Schönbuche nachgewiesene Große Mausohr kann allnächtlich bis zu 20 Kilometer zwischen Quartier und Nahrungsraum zurücklegen. Große Mausohren wohnen in Gebäuden und nutzen Wälder im Schwerpunkt zur Nahrungssuche. Dabei wenden sie ebenfalls eine verblüffende Jagdstrategie an: Sie fliegen bodennah durch die alten Wälder und achten auf die Krabbelgeräusche von Laufkäfern, die über den Waldboden laufen. Haben sie einen Käfer vernommen, lassen sie sich ähnlich wie ein Mäusebussard bei der Mäusejagd fallen und fangen den Käfer, um ihn an Ort und Stelle zu verspeisen. Bis zu 40 Laufkäfer kann diese größte einheimische Fledermausart pro Nacht verzehren. Mit Hilfe eines Minisenders, der auf dem Rücken eines gefangen Großen Mausohrs befestigt wurde, konnten die Flugbewegungen des Tieres ausgehend vom Naturwaldreservat „Schönbuche“ exakt verfolgt werden. Überraschend für Fledermaus-Experten war, dass die Wochenstubenkolonie im Dachboden von Schloss Ramholz bei Schlüchtern in ca.15 km Entfernung lag. Ungefähr 400 Weibchen des Großen Mausohrs ziehen hier seit Jahrzehnten ihre Jungen groß.

Insgesamt konnten im Naturwaldreservat „Schönbuche“ sieben Fledermausarten gefunden werden. Das ist für ein Naturwaldreservat im Mittelgebirge ein durchschnittlicher Wert. Neben den beiden schon genannten Arten wurden der Große und Kleine Abendsegler, die Bechstein-und Fransenfledermaus sowie die Zwergfledermaus nachgewiesen. Letztere ist mit kaum 18 cm Flügelspannweite eine unserer kleinsten Fledermausarten in Hessen. Bislang wurden 13 Naturwaldreservate vom Rhein-Main-Tiefland bis in die Höhenlagen der Mittelgebirge Hessens untersucht. Dabei zeigt sich eindeutig, dass mit zunehmender Höhenlage und dem damit verbundenen kühleren Klima die Artendiversität und auch die Dichte an Fledermäusen absinkt. Es ist anzunehmen, dass mit zunehmendem Alter der Waldgebiete noch einige Arten hinzukommen. Mit dem ansteigenden Alter und der Unberührtheit wird im Naturwaldreservat die Anzahl der zur Verfügung stehenden Baumhöhlen zunehmen, so dass die Siedlungsdichte der Fledermäuse voraussichtlich ansteigt.


 
 Ausblick

Die „Schönbuche“ ist nach dem Naturwaldreservat „Goldbachs- und Ziebachsrück“ das zweite Buchenwaldgebiet auf einem sauren Ausgangsgestein, das in der Reihe „Hessische Naturwaldreservate im Portrait“ vorgestellt wird. Trotz zahlreicher Gemeinsamkeiten bestehen auch einige Unterschiede in der Pflanzen- und Tierarten zusammensetzung zwischen diesen beiden Gebieten, die vermutlich vor allem bodenökologisch und durch die Nutzungsgeschichte bedingt sind. Auch die jeweilige Umgebung – im Gieseler Forst (Schönbuche) vor allem Kiefern und Fichtenwälder, im Seulingswald (Goldbachs- und Ziebachsrück) vor allem Buchenwälder – ist in diesem Zusammenhang sicherlich von Bedeutung. Die Waldbindung der gefundenen Farnund Blütenpflanzen-, Moos- und Flechtenarten ist durch überregional gültige Referenzlisten bekannt. Sowohl im Naturwaldreservat „Goldbachs- und Ziebachsrück“ wie auch in der „Schönbuche“ unterscheiden sich Totalreservat und bewirtschaftete Vergleichsfläche sehr deutlich voneinander. Die Erhebungen zur Waldstruktur zeigen, dass sich die beiden Teilflächen bereits nach rund zwei Jahrzehnten erheblich auseinander entwickelt haben. Während im Totalreservat weitgehend geschlossene Buchenbestände mit einzelnen Lücken und nur wenig Naturverjüngung das Bild bestimmen, findet in der bewirtschafteten Vergleichsfläche der Übergang zur nächsten Waldgeneration auf großer Fläche statt. Die Zusammensetzung der Bodenvegetation spiegelt diese Entwicklung unmittelbar wider: Licht liebenden Arten und Störungszeiger dominieren auf der Vergleichsflächen, Schatten ertragende Arten haben ihren Schwerpunkt im Totalreservat.

Zukünftig wird es nicht nur sehr interessant sein, die Effekte der forstlichen Bewirtschaftung auf Waldstruktur und Bodenvegetation weiter zu verfolgen, sondern auch die Auswirkungen auf die Fauna näher zu betrachten. So zeigt sich beispielsweise in allen zoologisch abschließend ausgewerteten Buchenwaldgebieten im Hinblick auf die Spinnen, dass etwa drei Viertel des Artenspektrums aus für Wälder typischen Arten besteht. Ob dieser Anteil im Zuge der weiteren Auflichtungen in der Vergleichsfläche zurückgeht und eventuell weitere Offenlandbewohner einwandern und wie konstant das Artenspektrum im Totalreservat bleibt, wird eine Frage der zukünftigen zoologischen Untersuchungen sein. Ob dies für andere Tierartengruppen in gleicher Weise gilt, ist ebenfalls derzeit noch nicht bekannt. Hieran wird deutlich, dass von der Naturwaldreservateforschung auch zukünftig wichtige Beiträge zur Beantwortung der Frage erwartete werden können, wie sich die forstliche Bewirtschaftung auf die biologische Vielfalt im Wald auswirkt.

Quellennachweis:
Landesbetrieb HESSEN-FORST, Bertha von Suttner-Str. 3, 34131 Kassel,

 http://www.hessen-forst.de

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