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Mein Jahr in der Kriegsgefangenschaft!

Vom 20.8.1944 bis 25. 10.1948 (Entlassung!)


1945

Vom 20. September bis 15. Januar 1945 war ich im Kohlebergwerk Novo-Schachty. Der Schacht war sehr primitiv. Wir mussten täglich die 200 bis 300 m. tief auf Holzleitern runtersteigen, nach 13-14 Stunden Arbeit wieder hoch klettern. Morgens bevor wir ausrückten, gab es eine dünne Kohl- oder Hirsesuppe, dazu 100 gr. Brot. Bei der Arbeit im Stollen, die oft bei einem Wasserstand von 0,50 m. ausgeführt werden musste, gab es oft Schläge und Unglücke, wenn die Norm nicht geschafft wurde. Abends noch dem Einmarsch in das Lager, oft stundenlang Zählappell auf dem Lagerplatz., bei klirrender Kälte und viel Schneetreiben.

Weihnachten 1944 war ein Arbeitstag wie immer, da ja ein Feiertag im Herzen, die Gedanken in der Heimat waren, wollte ich abends nach der Schicht diesen Tag etwas für mich im Stillen gedenken. 200 gr. Brot hatte ich mir aufgehoben. Dann hatte ich noch einen lieben Brief aus der Heimat retten können , den ich vor meiner Gefangennahme noch bekommen hatte. Eine liebe Brieffreundin hatte in ein vierblättriges Kleeblatt mit einer Nadel gestickt „Komm gut heim!“. Alles war mir gestohlen worden – auch die letzten Verbindungen zur Heimat, da habe ich bitterlich geweint.

Von 1800 Soldaten im September, waren im Januar noch 600 übrig geblieben. 1200 hatten wir in der hart gefrorenen Erde nach Feierabend beigesetzt. Viele Erfrierungen gab es, da wir nur unsere Sommerbekleidung von der Wehrmacht hatten. Die guten Schuhe wurden uns weggenommen, dafür gab es Holzschuhe u. Fußlappen.

Aufgrund des hohen Krankenstandes und der vielen Toten, kam eine ärztliche Kommission von Moskau. Wir wurden untersucht und durften nicht mehr arbeiten.

Mitte Januar 1945 wurden wir in einem Güterzug verladen, auf Stroh- und Holzboden. Bei eisiger Kälte und einem schneetreibenden Ostwind ging die Fahrt in den Süden – Richtung Kaukasus! Die Toten wurden aus den Waggons in den Schnee geworfen. Ich bekam von einer jüdischen Ärztin täglich eine Spritze, so habe ich diesen Transport überlebt.

Am 20. Januar 1945 kamen wir in Georgijewsk an. Hier hatte ich 1942 als Verwundeter von der Kaukasusfront/Malgobeck a. Terek, 4 Wochen gelegen. Unsere Unterkunft waren Erdbunker, die aber geheizt waren. Draußen war der Schnee meterhoch. Es war kein Platz mehr für die vielen Toten, die täglich starben. Hier wurden wir auch tagelang verhört. Es wurde alles über Elternbesitz usw. erfragt. Wehe, jemand hat gelogen, bei den vielen Verhören, konnte nur die Wahrheit bestehen. Viele Kameraden wurden abgeführt. Wir haben sie nie wieder gesehen. Abends konnten wir schon sehen, wer in der Nacht stirbt. Die letzten Grüße an Eltern und Geschwister haben wir übernommen und wenn möglich auch weitergegeben. In dieser Zeit war ich so schwach. Nachts wurden wir von Ratten angefressen, dadurch bekam ich hohes Fieber und konnte auch nichts essen.

Dann kam die Verlegung nach Tiflis in ein Hospital. Ich habe mich gewehrt, aber der Befehl von der G.P.U. war mächtiger wie ein ärztliches Gutachten. Meine Ärztin, die mich betreut hatte, fuhr mit diesem Transport auch mit. Sie gab mir einen Trost. „Du bekommst jeden Tag eine Spritze und wirst den Transport überstehen.“ Die Fahrt war vom 15. März bis 25. März 1945.

Im Hospital, welches unter militärischer Aufsicht stand, wurden wir den Umständen entsprechend behandelt. (Es war ja noch Krieg!) Mein Zustand war sehr kritisch, so wurde ich in eine Sterbekammer gelegt, in der Hoffnung der stirbt in den nächsten Stunden. Nach 3 Tagen war ich noch am Leben, so wurde ich wieder in ein Einzelzimmer verlegt. Von jetzt an bekam ich etwas Mich und Weißbrot. Das Weißbrot habe ich in der ersten Zeit verschenkt, keinen Appetit. Die Kameraden waren dankbar. Ein Soldat aus Böhmen besuchte mich des Öfteren. Ich schenkte ihm viel Weißbrot. Im Gespräch wollte er wissen, wo und bei welcher Einheit ich gewesen wäre. Nun ich erzählte offen und frei, ahnte ja nicht, dass es ein Spitzel von der G.P.U. war. Für zusätzliches Essen haben diese Verräter viele Soldaten um die Heimkehr gebracht. So war es auch bei mir. Der G.P.U. Chef vom Hospital besuchte mich des Öfteren. Er erkundigte sich nach meinem Befinden. Noch ahnte ich nichts Schlechtes. Aber nach Wochen kam die entscheidende Frage, „Sie haben im Kaukasus so viele Russen umgebracht, auch Frauen!“ Meine Empörung „Holen Sie den Mann, der dieses gesagt hat“, seine

Gegenüberstellung wurde abgelehnt. Nun da sehen Sie, dieses ist eine Lüge. Meine Antwort war: „Wenn Sie mich erschießen wollen, dann bitte morgen, bei Ihnen komme ich doch nicht nach Hause.“ „Aber wir wollen Sie nicht erschießen, mit Ihnen haben wir noch viel vor und wir haben Zeit.“

Der 8. Mai bescherte uns eine besondere Überraschung, da Friede, Kriegsschluss war, bekamen wir nachts einen halben „Salzhering“ aus Freude! Aber nichts zu trinken, wir hatten großen Durst!

Im Juli 1945 für der erste Krankentransport nach Deutschland, da war ich noch nicht transportfähig. – Langsam habe ich mich erholt. Eines Tages war der G.P.U.-Sekretär nach Moskau für einige Zeit. In dieser Zeit kam die Stellvertreterin zu mir und sagte wörtlich zu mir: „Möhle, Du musst hier raus, in ein deutsches Lager. Chef ist nicht gut!“ Darauf habe ich schon lange gewartet. Ich möchte ja raus aus diesem Hospital, wo man täglich nur das Gejammer und Stöhnen hörte.

Ende 1945 kam ich mit mehreren Kameraden in das Hauptlager Tiflis. Bei der Ankunft wollte man mich wieder zurück schicken. War ich doch so schwach. Ich konnte nicht alleine laufen. Ich wurde rechts und links beim Gehen gestützt. Auf mein Bitten und Flehen „Lasst mich hier und schickt mich nicht wieder zurück“, hat die Lagerleitung entschieden, ich bleibe da. Nun war ich dankbar und glücklich. Da ich Handwerker war, kam ich auf eine Stube mit 15 Handwerkern. Die Schlosser und Schreiner arbeiteten in einem Flugzeugwerk am Stadtrand von Tiflis und auch in der Stadt am Parlament. Jetzt ging es mir langsam besser. Die Kameraden brachten wir Kleinigkeiten aus der Stadt mit, oder ich bekam etwas von ihrem Essen.

Weihnachten 1945 hatten einige aus dem Stadtpark eine Tanne besorgt, die mit etwas Stanniol und Kerzen geschmückt wurde. Es wurde nicht gearbeitet und das Essen war etwas besser wie gewöhnlich. Es war die zweite Weihnacht in Gefangenschaft, ohne Nachricht von zu Hause. Die Heimat war weit entfernt. So manche Träne wurde unterdrückt. Das Heimweh war stark.

Wir wollten uns aber nicht unterkriegen lassen. So ging das Jahr 1945 zu Ende! Unsere Gedanken – wann kommen wir nach Hause? Nun so versuchte ich es dann 1946 mit Arbeiten, eine Ablenkung war nötig. Die Hoffnung gaben wir nicht auf!