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Walter Lorenz, geb. am 2.1.1927 im Sudentenland, verst. am 1.12.2008 in Rommerz

 Man schrieb das Jahr 1945; als 18-jähriger erlebte ich das Kriegsende in amerikanischer Gefangenschaft (PW) in einem Lager in Frankreich. Nach einer Ausbildung beim Arbeitsdienst in Iglau/Mähren und als Panzerjäger Abt. 10 Straubing, gab es von Hainsbach b/Geiselhörning am 26.2.1945 eine Blitzabstellung an die Hauptkampflinie bei Kitzingen-Würzburg. Dort wurde eine Kampfeinheit der Wehrmacht, Gr. 13 zusammengestellt. Hier erlebte ich die ersten Kampfhandlungen bei Bullenheim. Es waren schreckliche Tage und Nächte des Grauens, denn Luftangriffen mit Phosphorbomben machten die Nächte zur Hölle. Junge Menschen wurden wie Feldhasen bei einer Treibjagd abgeschossen und mussten verbluten. Die Kugeln pfiffen einem um die Ohren: man wusste das Ende des Krieges nahte.

Am 4. April 1945 kam ich bei Bullenheim in Gefangenschaft; sie war unumgänglich und vollzog sich wie folgt: Wir waren mehrere Tage von allen Seiten eingeschlossen und mussten uns schließlich ergeben. Händeerhebend und mit vielen Gedanken beschäftigt wurden wir in Empfang genommen und mit Pistolen bedroht. Da mein Kamerad als Panzerjäger das Totenkopfwappen trug, wurde er erbarmungslos erschossen und brach neben mir zusammen. Nach Fußtritten der Amis wurde ich meiner letzten Habe beraubt. Nur ein Medaillon von Lourdes, welches ich vom Vikar Rosin beim Abschiedssegen im Pfarrhaus zu Neustadt/Sudentenland mit auf dem Weg bekam, durfte ich auf mein Bitten hin behalten. Nun wurde ich eingereiht in die große Gefangenenkolonne und man traf noch diesen und jenen, der überlebte. Die erste Unterkunft war eine Scheune, vor der bei offenem Lagerfeuer Neger Wache hielten. Der Weg führte nach Miltenberg am Main, wo es nach mehreren Tagen das erste Mal Wasser und etwas Essbares gab. Mit großen Sattelschleppern, in denen sich bei jeder Kurve die Bordwand bog, wurden wir in ein Auffanglager (Hungerlager) nach Worms gebracht. Der Himmel war unser Dach und die Erde unser Bett; 40 000 Menschen drängten sich auf dieser engen Fläche. Polnische Wachposten schossen oftmals blindlings nachts ins Lager und mit Gummiknüppeln wurden wahllos die Landser geschlagen. Nach stundenlangem Anstellen gab es pro Tag eine kleine Dose Wassersuppe. Nach einer Befragung sollte die Nationalität angegeben werden, um Gruppen zu bilden. Man versuchte alles, um aus dem Lager herauszukommen, doch vergeblich.

Endlich nach Tagen wurde ein Transport zusammengestellt mit je 40 Mann in einem Güterwaggon; als Verpflegung für uns alle 1 Kanister Wasser sowie pro Person eine Büchse Haschee. Unser Ziel Südfrankreich, die Hafenstadt Marseille. In diesem Lager verschlechterte sich unsere Situation von Tag zu Tag. Es war das berüchtigte Lager 404, in dem wir täglich maschieren mußten und dabei singen. Das Essen wurde immer spärlicher, der Hunger immer größer, so habe ich von den Küchenabfällen die Kartoffelschalen zum Essen verwendet. So wurde auch das täglich zugeteilte Weißbrot (in Frankreich üblich) von älteren Landsern viel genauer mit den Augen als mit einer Waage geteilt. Das Schuhwerk war besonders schlecht, denn es war nur mit Lappen umwickelt und unsere Knochen wurden langsam morsch.

Schließlich grassierte jeden Tag die Parole von unserer Entlassung, die sich aber als ein Transport in ein anderes Lager entpuppte, wobei der Weg diesmal über Valence, Lyon, Sehatonz und Leane führte. Dort setzte sich der Hunger fort. Vor Hunger haben manche Landser Gras gegessen. Die durch plätzlichen Witterungsumschlag auftretende Hitze erwirkte bei vielen Hitzschlag, auch ich zählte mich dazu, aber aus eigennützigen Gründen, um etwas zum Essen zu bekommen. Aber Pustekuchen! Außer frischer Unterwäsche gab es nichts. Schließlich brach dann noch die Cholera, Typhus und Ruhr aus , woran in jener Nacht viele Landser gestorben sind. In der selben Nacht, am 8. Mai 1945 ging in der Heimat der Krieg zu Ende, mit Trompetenjazz einer Negergruppe wurde es im Lager bekundet. Tags darauf meldete ich mich gleich gesund und mußte weitere Schikanen erleben. Jeweils vier Mann mußten Wellblechtafeln mit Steinen beladen, welche hin und her transportiert wurden, wobei amerikanische Posten beim Nachlassen der Kräfte mit Knüppeln zuschlugen.

Dann erfolgte ein weiterer Transport, der uns am 12.6.1945 nach Laon über Saurage, St. Just, Vaglare, Krankles, Segane nach Reims, nähe Paris brachte. Bei diesem Transport wurden wir von älteren französischen Frauen beschimpft und mit Steinen beworfen. Im neuen Lager erlebte ich die Kehrseite der Gefangenschaft. Dort erlebten wir ein schönes, modernes Lager mit guter Führung, es gab eine Kirche, Theater, eine eigene Lagerzeitung, Bildungsmöglichkeiten, Kunstausstellungen und Arbeitsmöglichkeiten in verschiedenen Berufen. Hier lebte ich nach einiger Zeit nach dem Sprichwort -Leben wie Gott in Frankreich-. Ein großes Durchgangslager mit 2000 Zelten und Großküchen in Flugzeughallen war wie ein Umschlagplatz für die Rückkehr der amerikanischen Truppen aus Deutschland. Mein neuer Arbeitsplatz war die Anfertigung der Beleuchtung für jene Zelte. Plexiglasarbeiten brachten Tauschgeschäfte (Zigaretten, Tabak, Schokolade) bei Negern ein.

Am 5.11.1945 war es dann soweit, über Saarbrücken kamen wir nach Deutschland, nach Frankfurt am Main, Langendiebach bei Hanau (Flugplatz). Schon am 13.11.1945 wurde ein neues Lager -Kohlheck- in Wiesbaden-Dotzenheim bezogen. Von hier aus arbeiten wir meistens unter Bewachung mit Sonderaufträgen oder im Regierungsgebäude. Da am Wochenende Besuche im Lager erlaubt waren, wurde auch Gebrauch davon gemacht. Landsleute die im Rheinland eine neue Heimat fanden, kamen zu Besuch. Es waren auch viele Frauen und junge hübsche Mädchen, welche ein Stelldichein gaben. Künstler wie Heinz Schenk, kamen mit Damen, um uns zu unterhalten. Auch das Wiesbadener Stadttheater wurde besucht. Bald wurde ich Hausmeister beim Lagerchef und kam schließlich in die Offiziersküche zu einem italienischen Küchenchef mit zwei Kameraden als Küchenhelfer. Das Lager wurde schließlich Aufgelöst und die Gefangenen kamen in das Lager "Nerutal". Wir Zurückgebliebenen hatten eigentlich außer der Freiheit keine Klage. Die Offiziere gingen im Taunus auf die Jagd und veranstalteten bei uns im Casino Jagdessen, wobei ich als Kellner fungierte. Auf Einladung als Ehrengast erlebte ich bei einer Dotzheimer Familie eine unvergessene Geburtstagsfeier. Doch der Ausbruch und der Durchschlupf unter dem Stacheldraht waren nicht ungefährlich, da die polnischen Posten mit ihren Schusswaffen leichte Hand hatten.

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In meiner Heimat, dem Sudentenland hatte inzwischen bereits die Austreibung aller Deutschen aus der CSSR begonnen. Man schrieb das Datum 20.4.1946, drei Tage vor der Aussiedlung meiner Eltern erreichte sie mein erstes Lebenszeichen seit der Frontabstellung über die Schweiz. Nach Aussage meiner Eltern konnte der tschechische Briefträger seine Freude nicht verbergen.

Meine Eltern kamen nach Hessen in das kleine Dorf Magdlos am Fuße des Vogelsberges im Landkreis Fulda. Groß war die Wiedersehensfreude als mich meine Eltern in Dotzheim besuchten. Bis zu meiner ersehnten Freiheit dauerte es nicht mehr lange. Am 25.2.1947 kam es dann in Heilbronn zur Entlassung und am 27.21947 traf ich in Flieden am späten Abend, mit dem Zug aus Frankfurt ein. Ein Flüchtlingsmädchen erklärte mir den Weg nach Magdlos, denn es war schon dunkel und kalt. Bald sah ich die ersten Häuser, deren Lichter schon von weitem zu sehen waren. Hier in der neuen Wahlheimat wurde ich schon sehnlichst erwartet und das Leben im zivilen Alltag begann. So glaubte ich als junger Mensch viele Seiten des Lebens kennengelernt zu haben, aber das Leben in der Freiheit dazumal war zugleich eine Ernüchterung und Enttäuschung. Die Not und das Elend fingen von neuem an. Es gab nicht einmal ein Brett für einen Kleiderhaken, kein Mehl oder Fett ohne Gegengabe. Die Reichsmark hatte keinen Wert mehr und Schwarzhandel hatte seine Blütezeit, es wurde getauscht und gehandelt. Bei einer Tanzveranstaltung wurde eine Schachtel Zigaretten für 100 RM Versteigert. Es gab Lebensmittelmarken und Bezugscheine. Skeptisch waren die Einheimischen gegenüber den Flüchtlingen und Vertriebenen, da sie deren Sprache und Bräuche nicht kannten, was sind das wohl für Menschen, vielleicht gar Zigeuner? Es dauerte schon eine gewisse Zeit zur Eingewöhnung und Akzept Ion. Zum Glück war dies bei uns nicht ganz der Fall, denn Vater als Schuhmachermeister machte den Leuten aus alten Taschen Schuhe und schnitzte seine Leisten selbst. Auch ich konnte in meinem Beruf als Elektriker vielen Menschen helfen. Menschen, welche diese Zeiten miterlebten, sind im Leben für alles sehr dankbar und gerne hilfsbereit. Danken wir vor allem Gott und bitten um seinen Segen. Er möge uns auf all unseren Wegen begleiten und schützend zu Seite stehen.

Bald hatte ich wieder Arbeit, denn am 20. Mai 1947 hatte ich über das Arbeitsamt Fulda bei der Elektrobau - Gesellschaft - Röhling-in Neuhof angefangen. Als kein Maschinenbauer (Ankerwickler) zu haben war, erlernte ich unter Anleitung eines Straßenbahn - Werkmeisters - Barusch aus Troppau zusätzlich diesen Beruf. Bei der Fa. Späh und Bosch Fulda, hatte ich die Gelegenheit das fachmännische Wissen auszubauen. Meine nächste Arbeitsstelle waren die Farbwerke Höchst CH 40 in Frankfurt/M und dann bei der Fa. Elektro - Atzert Flieden. Als das Kaliwerk Neuhof - Ellers Fachkräfte suchte, habe ich gleich nach der Eheschließung, am 10. Mai 1954 begonnen. Über 30 Jahre arbeitete ich im Elektro Maschinenbetrieb unter Tage, bis zu meinem Ruhestand im Jahre 1985. Da ich 1959 von Magdlos nach Rommerz, ins eigene Haus zog, wurde ich Rommerzer Bürger.

  UnterschriftWalter

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