© Heimat und Geschichtsfreunde Rommerz


Die Rommerzerzer koennen auf ein wunderbares Naturgeschenk verweisen, naemlich der Wiesengrund von Hauswurz her, Auslaeufer des Vogelsberges, umsaeumt von praechtigem Hochwald. Belebende Ader dieser Tallandschaft ist die Kemmete, die als kleines, frisches Gewaesser den Reichloser Weiher ostwaerts verlaesst, ueber Basaltgeroell und Buntsandstein plaetschert und nach zahllosen Maeandern Rommerz erreicht. Ruhig durchfließt alsdann der Bach nach der Bobelsmuehle das nunmehr geweitete Tal, den Stuerich, gen Neuhof zu und muendet in die Fliede.

Fuer uns Dorfkinder gewinnt die Kemmete insbesondere an großer Wertschaetzung, wenn die Temperaturen zum Baden einladen. Die Hinterdoerfer Jugend vergnuegte sich an einer aufgelassenen Stauanlage in der naehe der Ochsenmuehle. Zentrum des doerflichen Badespaßes ist allerdings eine ehemalige Wehranlage am Stuerich unterhalb des Friedhofes. Dieses Kemmetebad, wahrlich am "Busen der Natur" gelegen, wird im Rommerzer Sprachgebrauch auch "Woerfel" oder treffliche "Boadelooch" genannt.  Hangseits dient das Wiesenstueck des Landwirts Josef Maul (Beiesch) hervorragend als Liegewiese. Talseits wird die Wiese eines Neuhoefer Bauern von den Badegaesten, Sonnenanbetern und Ballspielern intensiv als Spaßzone genutzt.

Erlen- und Weidebuesche dienen bestens als Sichtschutz beim Umkleiden. Die rasche Form des Textilmanövers erfolgt allerdings hinter vorgehaltenem großen Handtuch. Moegliche Spanner kommen keinesfalls auf ihre Kosten. Die Bademode entspricht dem Flair  der Nachkriegsjahre: ueberkommen, rustikal, dennoch funktional. Vielfach muss eine Unterhose Badedienste leisten. Alsbald saugt sie Wasser in Mengen auf und haengt wie ein nasser Sack ueber die Hueftknochen herunter. Die hehren Koerperpartien werden oft nur schwerlich bedeckt, oder sie entgleitet gar, o Schreck, über den Popo ins Wasser.  

Nach vorsichtigem Abkühlen geht es mutig hinein in das bereits aufgewuehlte Wasser. Ca. 20 m lang und 10 m breit ist unser geschaetzter "Natur Pool". Im Gewimmel der Badelustigen wird gespritzt, hundeaehnlich mit den Haenden gepaddelt, mit dem Kopf untergetaucht, Rivalen mit dem Kopf "geduckt" und bei ziemlicher Anstrengung und aufgeblasenen Backen Schwimmen geuebt. Freund oder Freundin geben bei kraeftigen Griffen um die Huefte hinreichend Halt. Bei den Fuchteleien in der Bruehe wird ungewollt immer wieder Wasser geschluckt. Beaengstigende Hustenanfaelle und kraeftiges Ausspeien sind die Folgen. Hin und wieder blutet eine Zeh oder eine Ferse, weil eine Scherbe im Weg war. Die Wassertiefe ermoeglicht sogar Kopfspruenge wie auch die weniger stilvollen sogenannten Bauchplaetscher und Arschbomben.

Zum Baderitual gehoert das staendige gegenseitige Ueberpruefen der Lippen, die keinesfalls blau werden duerfen. Es bestehe Lebensgefahr, so die ernsthafte Warnung der Experten. Bei Gefahrenmeldungen heißt es: "Raus aus dem Wasser".

Abends, am Wochenende besonders, dient der "Woerfel" vielen jungen Rommerzeren als Gemeindebad im Sinne der Koerperreinigugn. Mit Kernseife und sogar Buerste wird gegen Schweiß und sonstigen Schmutz an Haut und Haar gruendlich angegangen. Auch die Maehne wird hygienisch in Bestform gebracht. Erfirscht und saeuberlich abgeschribbt steigen die Reinigungsapostel alsdann aus dem Wehr.

Die kleinen Schwimmelven forcieren nach und nach ihre Anstrengungen und verbessern trotz laienhafter Bewegungsakrobatik im wahrsten Sinne Zug um Zug ihre Schwimmkünste. Am Ende der Badesaison heißt es dannhaeufig recht stolz; Jetzt kann ich schwimmen! Auch ich gehoere zu den zahllosen Probanten, die im Kemmetebach das Schwimmen gelernt haben. Nun ist der "Woerfel" nicht nur "Bad im Herzen der Natur", er ist gleichermaßen Treffpunkt der Kinder und Jugend von Rommerz., Marktplatz der Kommunikation und des Verlustierens, Staette des Ballspielens und Herumtollens. Eine schoene, erlebisreiche Zeit, an die sich ein Siebziger gern erinnert.

Unter dem sommerlichen Treiben rund um den "Woerfel" leidet, fuer uns kaum wahrnehmbar, dass Weidevieh des Eigners der Hangwiese Joesef Maul (Baiesch). Das schon ohnehin minder ernaehrte Schmalvieh wird von den vielen Wassersportlern zunehmend in abseitige Bereich der Weide verdraengt. In seiner Not entschließt sich Josef, dem laermenden Treiben ein Ende zu bereiten, indem er seine Uferseite mit Pfosten bespickt und diese mit vielen Metern Stachedraht verspannt, eine Barrikade, den Badelustigen den Zugang zum Bach zu unterbinden. Zu seinem Leid zeitigt Josefs drakonische Maßnahme keinen anhaltenden Erfolg. Mutige woe eingefleischte Freunde des Naturbades bereiten dem trotzigen Stacheldrahtverhau in einer Nacht- und Nebelaktion ein rasches Ende. Wahrlich ueber Nacht verschwindet die Barrikade auf nimmer Wiedersehen. Der Stuericher "Woerfel" verliert seine wassersportliche Reputation mit der Verlegung des Bachlaufs im Rahmen der Flurbereinigung gegen Ende der 50er Jahre. Nunmehr lockt das Freibad am Landruecken in Flieden auch die jungen Rommerzer Wasserratten.

Erwin Ruebsam rem 062012