Mit freudigem Jubel und lautem Getoese stuermten wir aus unserem Klassenzimmer, hasten in großen Schritten die Treppe hinunter auf den Schulhof und verkuenden lauthals den Beginn der Sommerferien.
Vier bis fuenf Wochen erwarten uns ohne die laestigen Hausaufgaben und ungeliebten Pflichten der Schule. Zeugnisse gibt es keine, also bleibt auch der moegliche Aerger zu Hause aus.
Es ist die ersehnte Zeit willkommener warmer wie auch heißer Tage und langer, heller Abende. Auf uns kleine Doerfler warten unzaehlige Moeglichkeiten, mit den Kindern aus der Nachbarschaft zu spielen, durchs Dorf und die Gemarkung zu stromern, barfuß zu gehen, im Kemmetebach zu baden und die sommerliche Braeune auf dem Gesicht, dem Oberkoerper und den Armen wie Beinen einzufangen. Mit stolz wird alsdann die Baeunung zur Schau getragen und der oft leidvolle Sonnenbrand wird mehr oder weniger tapfer ausgehalten. An Urlaubsreisen mit den Eltern oder Jugendgruppen ist in den entbehrungsreichen Nachkriegsjahren nicht zu denken. Autobesitzer sind im Ort selbst mit der Lupe nicht zu finden. Unser Verkehrsmittel ist das Fahrrad, immer waehrend geschaetzt und notwendigerweise gepflegt. Das Rad ist seinerzeit ein schweres Stahlross, unverwuestlich und noch ohne Gangschaltung. Erforderliche Ersatzteile liefern andere alte Drahtesel nach dem gaengigen Motto: "Aus drei mach eins!".
Voellig unbeschwert sind die Ferientage fuer viele von uns Kindern allerdings nicht. In den Familien der Bauern und Huettner ist es selbstverstaendlich und ohne Diskussion ueblich, dass wir Kinder als gut brauchbare und notwendige Helfer und Arbeiter in Haus und Hof sowie auf Feld und Wiese eingesetzt werden. Mit zunehmendem Alter erhoeht sich gleichermaßen auch die Arbeitsbelastung. Hier sind Besen, Putzlappen und Eimer, Gabel, Rechen, Hacke und Striegel anbefohlene Geraetschaften, die uns zumeist schwer in der Hand liegen. Dabei mindern Verdruss und Aerger mit den Eltern haeufig die ohnehin maeßige Arbeitsfreude und vergaellen die muehsam angereicherte Ferienstimmung.
Heu- und Getreideernte verlangen auch uns schweißtreibende Einsaetze ab, wenn das frisch gemaehte Gras mehrfach gewendet, als Heu sodann aufgeladen, eingefahren und in den Barn der gegabelt werden mus. Die meisten Kleinlandwirte von Rommerz besitzen keine Maehmaschine, sodass beim Schnitt des Gereides die Sense tuechtig geschwungen wird. Alsdann kann die Dreschmaschine in der Dreschhalle oder auf den Hoefen ihre segensreiche Arbeit verrichten und bei Gottes Segen guetlich die Getreidesaecke füllen. Unsere Arbeit ist der Abtransport der Spreu, eine recht unangenehme Taetigkeit bei den stets piksenden Spelzen und Grannen mit ihren widerborstigen Spitzen.
Vergessen wir in den Ferienwochen nicht den Wald mit seinem wertvollen sommerlichen Schatz. Gemeint sind die Heidebeeren, auf die wir an vielen Tagen angesetzt werden. Im Rommerzer Sprachgebrauch sind es die "schoaze Beer" die wir mit mehr oder weniger flinken Fingern suchen, wobei pfluecken unser Tun trefflicher beschreibt. Zudem sind Himbeeren und Brombeeren weitere achtbare Geschenke der Natur, die durch die Zauberhaende unserer Muetter zu wohlschmeckenden Saeften und Marmeladen werden.
Erwin Ruebsamm, rem 062012