© Heimat und Geschichtsfreunde Rommerz

Die Bewässerung im Kemmetetal ein Kulturerbe im Landkreises Fulda

Die Bewässerung der Wiesen zwischen Kauppen und Rommerz

Mit dieser Dokumentation soll die Erinnerung an die Jahrzehnte lang betriebene Bewässerung im Kemmetetal zwischen Kauppen/Hauswurz und Rommerz erhalten werden.

Heute könnte man die Gräben wieder nutzen um das Grundwasser zu stärken, im Kemmetegrund befinden sich Brunnen welche von der Gemeinde und von K+S genutzt werden. Auch könnte man das jährliche Hochwasser eindämmen und entzerren und nicht zuletzt braucht man das Grabensystem evtl. wieder für den Zweck für den es einmal angelegt wurde, zur Bewässerung der Wiesen, bei immer häufiger auftretenden Trockenheit und Extremwettern.

 

Bewässerungskanäle dieser Art sind seitdem der Mensch Landwirtschaft betreibt weltweit verbreitet. Man findet Bewässerungskanäle unter anderem im Schweizer Kanton Wallis, Waalen in Österreichischen Fluder, im Schwarzwald in Wuhr, in den Ardennen. Auch die Levadas auf Madeira dienten und dienen heute noch dazu das Wasser aus dem Regenreichen Norden in den trockenen Süden zu transportieren.

Erwähnenswert sind die noch heute intakten Waal Gräben in Südtirol, welche zur Bewässerung der Wiesen und Äcker dienten und heute zur Bewässerung der Weinberge und Obstwiesen genutzt werden. Die Pfade an den Waal Gräben sind touristisch erschlossen und dienen den Touristen als Wanderwege. 

Der Mensch hat schon sehr früh in die Regulierung der Gewässer eingegriffen um eine effiziente Landwirtschaft zu ermöglichen. So ist ein Erlass von Kurfürst Ludwig, „Pfalzgraf bey Rhein, des Heiligen Römischen Reichs Erztruchsess und Herzog von Bayern“ zur Genehmigung einer Wasserentnahme aus der Queich aus dem Jahre 1428 bis heute erhalten

Es war das Preußische Wassergesetz vom 28. Februar 1843 welches der Wiesenbewässerung, auch im Kemmetetal, wieder einen Aufschwung gab, indem es beispielsweise die Stauung von Wasser an Wehren und deren Verteilung über Grabensysteme ermöglichte.   

Das Kemmetetal zwischen Rommerz und Hauswurz war Jahrzehnte lang mit einem bewundernswerten raffinierten Grabensystem durchzogen. Welches durch die Nutzung der Schwerkraft (Schwerkraftbewässerung) sicherstellte das alle auf allen Höhenlagen gelegenen Kemmetewiesen mit Wasser aus der Kemmete versorgt wurden. 1

Kemmete6

 

Diese sogenannte Wiesenbewässerung dient und diente in erster Linie der Herstellung größerer Mengen an Heu und Grummet welches für das Vieh als Futter für den Winter gebraucht wurde. Durch einen höheren Ertrag der Wiesen konnte der Viehbestand entsprechend erhöht und angepasst werden. 

Mit dem „Wiesenkulturgesetz“ wurde in Hessen schon 1830 ein übergeordneter gesetzlicher Rahmen geschaffen. Nach diesem Gesetz musste eine gemeindliche Wiesenkommission gebildet werden, diese Kommission war befugt Anordnungen von polizeilichem Charakter zu erlassen. Auf verbindliche Rechtsgrundlage wurde die Zusammenarbeit von Fluss- und Wiesenanliegern geregelt, eine Rangfolge konkurrierender Nutzungen festgelegt und die Gründung von
Wiesenkulturgenossenschaften gefördert. 2

Die ersten noch vorhandenen schriftlichen Unterlagen zu der Wiesenbewässerung im Kemmetetal stammen aus dem Jahre 1855. Es handelt sich um eine Instruktion welche der Rommerzer Gemeinderat, die Wiesenkommission und der Bürgermeister erlassen haben.

 

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  Dieses Instrution lag zur jedermanns Einsicht im Bürgermeisteramt aus und wurde als Aushang eine Woche lang bekannt gemacht.

  Quellennachweis:  Queichwiesen – Immaterielles Kulturerbe Wiesenbewässerung,
                                      2 Traditionell Bewässerung ein Kulturerbe Europas Band 1, Seite 26
                                              3 HStAM 186 Melsungen 578

 


Das Wasser wurde in der Gemarkung Kauppen nahe der “Hanse Mühle“ aus der Kemmete entnommen, hier wurde es zuerst aufgestaut und in einem hierfür angelegten Graben eingeleitet und durch ein weitverzweigtes Grabensystem bis nach Rommerz geführt. Das Gefälle zwischen der Entnahmestelle in Kauppen und Rommerz beträgt ca. achtzig Meter auf 6 000 Metern Länge

 

 

 

 

 

   

Verlauf des Entnahmegrabens bei der ehemaligen Hanse Mühle  Reste des Entnahmegrabens

 

Entnahmewehrb                          Entnahmewehra
Das E ntnahmewehr der Wiesenbewässerung im Kemmetetal  Der Anfang der Wiesenbewässerung 

 

Auch die beiden Quellen welche Rommerz ab 1911 mit Trinkwasser versorgten liegen in der Gemarkung Kauppen oberhalb der Unteren Kemmetemühle. Die Wasserleitung nutzte auch das Gefälle zwischen Kauppen/Hauswurz und Rommerz bis zum damaligen Hochbehälter am heutigen Grillplatz.

Ab der Entnahmestelle führt ein Graben auf der südlichen Seite des Kemmetetales direkt an der Waldgrenze entlang in Richtung Osten. Dieser Graben verläuft bis kurz hinter dem heutigen Rommerzer „Kemmetestadion“ an der Säubrück, er endet an den Resten der 1950 erbauten Pumpstation „Quelle Eichborn“. Heute liegen Reste des Grabens zum Teil im Wald, da im Laufe der Jahre einige Wiesen aufgeforstet wurden.

Dieser Graben versorgte alle hochgelegenen Wiesen im Kemmetetal mit Wasser, er hat eine Länge von ca. 6 000 Metern und kommt von 384 Höhenmetern bis runter auf ca. 290 Höhenmeter.

Verlauf des oberen Grabens
Ungefährer Verlauf des südlichen Grabens zur Bewässerung der Kemmetewiesen

Für die Talwiesen wurde direkt an der Kemmete Wasser abgenommen, hierzu wurden Wehre oder Schleußen angelegt und gebaut. Diese wurden so angelegt, dass man mit einfachen Brettern regeln konnte ob und in welcher Menge Wasser entnommen wurde.  

Von den damals angelegten Wehren sind bis heute noch ca. 9 Stück erhalten, sie sind zum Teil noch in einem guten Zustand, sodass man ihre Funktion auch heute noch erkennen kann. Auch die Gräben welche damals zur Weiterleitung des Kemmetewassers anlegte sind zu großen Teil noch erkennbar. 

Wehr und Entnahme
Hier sind noch alte Wehre in den Kemmetewiesen vorhanden

 


 

altes Wehr.jpg1
Ein Wehr bei Hochwasser, daher gut erkennbar  Zerfallenes altes Wehr

 

Für die Kemmetewiesen wurde von der Wiesenkommission und den Gemeindevertretern am 20. März 1852 ein Wässerungsplan erstellt, welcher für alle Wassernutzer bindet war. Hierin wurde die Unterhaltung der Gräben, Wehre und Schleusen geregelt, aber auch bei Unterlassung die Strafen festgesetzt.    

Streitigkeiten um die Nutzung des Wassers gab es häufig, dies ist durch Niederschriften belegt welche im Staatsarchiv Marburg zum Teil noch vorhanden sind. Ging es doch bei der Nutzung der Bewässerung um nichts weniger als um die Erntemenge von Heu und Grummet, von dieser Menge es abhing wie stark der Viehbestand des einzelnen Ladwirtes sein konnte.

In dem von den Gemeindevertretern und der Wiesenkommission erarbeiteten Wasserrecht ist festgeschrieben wer, wann und in welcher Menge die Bewässerungskanäle nutzen durfte. Oft wurde, nicht immer nur von den Kindern, schon morgens früh vor dem festgeschriebenen Beginn der Wässerung, das Wasser vom Nachbarn auf die eigene Wiese geleitet (dem anderen das Wasser abgraben).

Dies war für jeden einzelnen schwer zu überprüfen, da man hierzu aus dem Dorf heraus den langen Weg bis in das Kemmetetal, für die meisten zu Fuß, zurücklegen musste und die am weitesten entfernten Wiesen, welche zu der Bewässerung gehörten, lagen kurz vor Hauswurz.

Zu den häufigeren Beschwerden gehörte das freihalten der Gräben, dies war von jedem Eigentümer oder Wiesenpächter auf der Länge seines Grundstückes selbst zu organisieren, § 1 der Verordnung, unterblieb dies so bekam die drauffolgende Wiese zu wenig oder gar kein Wasser mehr.


Beschwerde aus dem Juli 1932

An das Landratsam Fulda

Die Unterzeichneten erheben hiermit Beschwerde darüber, dass die untenstehenden Landwirte ihren Verpflichtungen, die in dem Kemmete Grund gelegenen Gräben offen zu halten, nicht mehr nachkommen. Es kommen in Frage: Müller und Landwirt Schad auf der Kemmete, Landwirt Reinhard Sorg, Hermann Jahn, Karl Schmitt, Franz Henkel, Wilhelm Fröhlich, Emil Balzer, sämtliche aus Rommerz. Die Wiesen der Unterzeichneten sind dadurch, dass die obengenannten Landwirte ihren Bewässerungsgraben nicht offenhalten, stark geschädigt, und bitten das Landratsamt, veranlassen zu wollen, dass diesem Missstande abgeholfen wird.

Hochachtungsvoll

Georg Auth, Ferdinand Kaib, Wilhelm Weß, Karl Schäfer, Joseph Möller, Karl Hofmann

Auf dieses Beschwerdeschreiben, wie auf die anderen auch, reagierte das Landratsamt und nimmt den Bürgermeister in die Pflicht.

An den Herrn Bürgermeiste in Rommerz

Anliegende Verfügungen ersuche in den Empfänger gegen Behändigungsschein aushändigen zu lassen und mir die Empfangsbescheinigungen demnächst hierher einzureichen. Bis zum 25. September ds. Jrs. erwarte ich von Ihnen Bericht, ob die in den Anlagen genannten Personen ihren Verpflichtungen nunmehr nachgekommen sind. 


 


 

Polizeiliche Verordnung zur Wahrung der Bewässerungsrechte 1877 4

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  


 

 

 

 

 

Brief6

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quellennachweis: 4 Quellennachweis: HStAM  186 Melsungen 578

 


 

Im Jahre 1894 hat der damalige Rommerzer Bürgermeister und Landwirt Damian Heurich (s. Bericht unter "Menschen") einen Antrag auf eine Erweiterung der Bewässerungsanlage für seine Wiesen im Kemmetetal gestellt.

  

 

 

 

 

 

Gestattungsurkunde für H. Damian Heurich 5

  

Quellenachweis: HStAM 180 Fulda 3631

 

Der Landwirt Damian Heurich aus Rommerz beantragte eine Erweiterung der Ent- und Bewässerungsanlage seiner Wiesen im Kemmetegrund. Bevor mit dem Bau begonnen werden konnte, brauchte es ein über mehrere Jahre dauerndes Genehmigungsverfahren.

 

 

Brief8

Zeichnung des Entwässerungsgrabens durch die Wiesen von Jahn und Möller 6

 

So mussten die Wiesennachbarn Jahn und Möller, Besitzer der Wiesen Nr. 2, 10, und 16, die schriftliche Erklärung abgeben, dass die neu zu errichtenden Wehre keinen Einfluss auf das schon vorhandene Wehr haben. Ebenso hat der Landwirt Anton Klug zu Rommerz Besitzer der Wiese Nr. 53 seine schriftliche Einwilligung dazu abgegeben, dass der neu zu bauende Entwässerungsgraben durch seine Wiese geführt werden darf. Es wird noch darauf hingewiesen, dass für alle Schäden welche etwa den Grundstückseigentümern durch die neue Stauanlage zugefügt werden sollten, H. Heurich persönlich verantwortlich ist.  

 

Heurich hstam 180 fulda nr 3631

Zeichnung des gesamten Projektes von Damian Heurich der Be- und Entwässerung 6

 

Diese beantragte Erweiterung der Wiesenbewässerung wurde von den zuständigen Behörden genehmigt und von dem Landwirt Damian Heurich umgesetzt.

Quellennachweis:   6 HStAM 180 Fulda 3631

 


Fuldaer Zeitung vom 30. Oktober 1932

 

Im Jahre 1932 wurde von der Bewässerungsgenossenschaft Rommerz ein Antrag beim Kulturbauamt in Fulda auf Umbenennung der Genossenschaft gestellt. Diese sollte nun in Ent- und Bewässerungsgenossenschaft Rommerz umbenannt werden. Hierzu wurde schon im Jahre 1931 Meliorationsarbeiten (techn. Maßnahmen zur Verbesserung des Bodens) in der Gemarkung durchgeführt.

Die Erweiterung der Entwässerungsgenossenschaft Rommerz auf die Wiesengrundstücke im Kemmetetal von der Ortslage Rommerz an aufwärts bis an die Gemarkungsgrenze Hauswurz wird seit diesem Frühjahr sowohl vom Vorstand als auch einer großen Anzahl Besitzer von Wiesen betrieben. Da der Zweck der Genossenschaft sich satzungsgemäß auf die Bewässerung bezieht war eine Änderung der Satzung, der Genossenschaft erforderlich.

 

Lageplan hstam 180 fulda nr 8941 001

1935 Entwurf zur Bewässerung von Wiesen der Ent- und Bewässerungsgenossenschaft Rommerz zwischen der Schlagmühle und der Brücke Fliedener Straßen.7

 

Rommerz Ellers hstam 180 fulda nr 8955 002

Ausführungszeichnung über die Entwässerung der Wassergenossenschaft Kemmte in Neuhof in der Gemarkung Ellers – Rommerz. Von der Fliedener Straße in Rommerz bis zum Stürig in Ellers. 8

Quellennachweis: 7 HStAM Best. _180_Fulda_Nr_8955_001 Entwässerungsplan Schlagmühle bis zur Brücke Fliedener Straße
                                   8  HStAM Best 180 Fulda Best Nr. _8955_002 Entwässerungsplan

 


 

Am 12. September 1949 hat im Hessischen Staatsministerium, der Minister für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten den Beschluss für eine Umlegung (Flurbereinigung, s. Bericht unter "Landschaft u. Natur) in der Gemarkung Rommerz erlassen. 9

Die Vorstände Floribert Leinweber Hauptstraße 3, Bonifatius Kress Magdloser Weg 4, Karl Klug Mühlenstraße 3, Leo Becker Mühlenstraße 9, Josef Faust Schachtstraße 7. der Flurbereinigung Rommerz hat am 7. November 1958 beschlossen das die Gräben der Wässer Genossenschaft Rommerz zugeschüttet werden.


 

Am 11. November 1958 wurde öffentlich Bekanntgemacht

 Verfügung

Öffentliche Bekanntmachung

 In der Flurbereinigungssache Rommerz, Kreis Fulda, hat der Vorstand er Teilnehmergemeinschaft der Flurbereinigung beschlossen, alle Wässerrechte im Kemmetegrund wegfallen zu lassen.

Die vorhandenen Wassergräben sollen aus betriebswirtschaftlichen Gründen zugeschoben werden.

Einsprüche gegen diesen Beschluss sind schriftlich innerhalb 8 Tagen nach Veröffentlichung dieser Bekanntmachung beim Kulturamt in Fulda, Josefstraße 22 einzureichen.


 

Seit dieser Zeit verfällt die Bewässerungsanlage und zum Teil werden Wehrsteine bei Hochwasser weggeschwemmt oder für den Hausgebrauch (Tröge, Kübel, Baumaterial) entwendet.

 Quellennachweis: 9 HStAM Best 180 Fulda 154/10 KU 26/41

 


 

Bilder von der Bewässerungsanlage in den Kemmetewiesen zwischen Kauppen/Hauswurz und Rommerz. Die Anlage ist in großen Teilen noch gut zu erkennen, nicht nur direkt am Flusslauf, auch die Gräben welche das Wasser auf die Wiesen brachte sind noch in Teilen erkennbar. 

 

 

 

 

  

 

Zerfallenes Wehr1 Zerfallenes Wehr2
Zerfallenes Wehr 
Alter Graben Zerfallenes Wehr
Alter Bewässerungsgraben Vom eigentlichen Wehr ist fast nichts mehr vorhanden

 

     

 rem122025