© Heimat und Geschichtsfreunde Rommerz

Das Kriegsjahr 1942

Johannes M  
          Johannes Möhle  

Der Winter 1941/42 war sehr streng mit viel Schnee und vielen Schneeverwehungen. Da ich in Hildesheim bei Obermeister Friedrich Schröder, Kaiserstraße, im Wagen- und Karosseriebau Arbeit hatte, musste ich täglich von Sorsum – meinem Heimatort – nach Emmerke zum Bahnhof gehen und mit dem Zug nach Hildesheim fahren. Starke Schneeverwehungen brachten Verspätungen. Die Straße von Sorsum musste sehr oft frei geschaufelt werden.

Im März bekam ich meinen Gestellungsbefehl zum 1. April 1942 in die Ledebur-Kaserne nach Hildesheim, Goslarsche Landstraße. Mit meinem Vetter Willi Stillig musste ich zur gleichen Zeit einrücken. In der M.G.K. Kompanie! Meine zusätzliche Ausbildung war der schwere Granatwerfer. Das Übungsgelände war der Osterberg zwischen Himmelsthür-Geisener-Teiche, Wald und die Ortschaft Hasede. Die Grundausbildung war auf dem Kasernengelände, die Kommandos ertönten den ganzen Tag. Waren doch in diesem Bereich das 194. Ersatzbataillon zur Ausbildung.

Nach einem viertel Jahr Grundausbildung wurden wir dann den Niedersächsischen Divisionen, die im Osten im Einsatz standen, zugeteilt!

Nun noch einmal zu unserer Ausbildung:

Wir mussten jetzt erst einmal das Gehen und Laufen lernen. Nach vier Wochen hatten wir den ersten Ausgang in die Stadt Hildesheim, natürlich mit unserem Unteroffizier, damit wir ja nicht auffallen! Ja auffallen sollte man überhaupt nicht, dann gab es Straferziehung auf dem Kasernengelände und dieses war nicht ohne. Danach mussten wir in kurzer Zeit mit sauberen Schuhen, Uniform wieder antreten. Das war sehr oft die reinste Schikane. In dieser Zeit bekam ich zwei Tage Sonderurlaub, da wir beim Übungsschießen mit dem Granatwerfer das beste Ergebnis erzielten! Mutter freute sich sehr über den Urlaub. Ende Juni war die Ausbildung zu Ende. Wir wurden in Hameln zu einem Marschbataillon 194 zusammengestellt.

Es dauerte eine Woche. Unser Quartier war der Felsenkeller – ein Ausflugslokal. Am Sonntag vor unserer Abfahrt Richtung Osten, konnten die Angehörigen kommen. Wie habe ich mich gefreut, Vater und mein jüngster Bruder Alois haben mich besucht. Wir waren einige Stunden zusammen und haben erzählt und mir wurden Grüße von der Mutter und Schwester ausgerichtet. Mein jüngerer Bruder Josef war beim Arbeitsdienst in der Heide zur Ausbildung.

Montags fuhren die Transportzüge Richtung Osten. Am Bahnhof Emmerke standen viele Bekannte und grüßten. Meine Schwester Elisabeth wollte mir eine Dose Wurst zukommen lassen, aber sie landete im verkehrten Waggon. Die Kameraden haben sich sehr gefreut. Die Fahrt ging nicht immer zügig, es waren viele Transportzüge unterwegs. Wir waren 19 Jahre alt und voller Erwartung was uns erwartet. Die Parolen waren ja täglich von den gewaltigen Vormärschen in den Osten. Die Fahrt führte durch die Ukraine über den Dnjeper nach Uspenskaja in der Gegend von Rostow. Hier war Endstation.

Einige Tage hatten wir Ruhepause; in Zelten haben wir geruht. Am Tage war eine sehr große Hitze, dafür nachts aber sehr kalt. Wir marschierten über den Dunez zum Don. Unser Feldersatzbataillon 194 folgte den Spuren der vorauseilenden kämpfenden Truppe.

Unser Befehl war dann zum Süden Kaukasus, die Ölfelder von Malgobek und Baku waren das Ziel, ebenso die Grusinische Heerstraße, die nach Tiflis durch Georgien und Armenien zu den Ölfeldern und zum Irak führte. Dolmetscher waren schon beim dem Divisionsstab.

Wir haben in einer Nacht durch die Kalmückensteppe die Grenze von Europa nach Asien überschritten. Wie weit waren wir doch von der Heimat entfernt. Marschiert wurde nur nachts. Am Tag bei der Hitze von ca. 30 bis 40 ° C durch die Steppe zu marschieren, war nicht möglich. Wasser durften wir nicht trinken, es war verseucht. Es gab nur Tee mit etwas Rum. Hier in der Steppe haben wir die asiatische Bevölkerung kennen gelernt – ein großer Unterschied zu den Russen! Die älteren Frauen trugen Zöpfe bis zur Erde, die Männer Bärte und ein dunkelbraune Haut - von der Sonne verbrannt.

Kamele und Dromedare ebenso die kleinen Pferde, waren hier Transportmittel. Die Häuser waren sehr einfach aus getrocknetem Mist gebaut. Bäume oder Wälder gab es nicht, nur Akazienbäume und Sträucher. Die Bevölkerung war erstaunt und misstrauisch. Je näher wir dem Gebirge Kaukasus kamen, waren die Leute freundlicher und aufgeschlossener. An einem schönen Sommertag, blauer Himmel, sahen wir in der Entfernung von 100 km den Elbrus 5.860 m, den höchsten Berg im Kaukasus, liegen. Die schneebedeckten Spitzen ragten weit in den Himmel. Es war ein Anblick mit Freude über so viel Schönes.

Nun kam auch eine andere Landschaft. Von der Steppe ging es in das fruchtbare Vorland des Gebirges! Ein Land, wo Milch und Honig flossen. Es gab an Obst, Wein und Fleisch alles.

In Budjenowskaja waren einige Tage Ruhepause – zur Erfrischung waschen und baden. Durch den Steppensand und Staub waren wir bald nicht mehr zu erkennen. Wir bekamen Quartiere zugeteilt. Ich kam zu einer sehr deutschfreundlichen Lehrerfamilie. Mir wurde ein Gästezimmer mit einem herrlichen Bett angeboten, ich lehnte es aber ab. Nein dieses wäre eine Beleidigung gewesen, die Töchter von 18 Jahren schliefen in dieser Zeit im Freien! Wir konnten uns etwas unterhalten. Die Bevölkerung wartete auf die Befreiung. (Dieses wurde mir später in Tiflis in Gefangenschaft immer wieder gesagt. Warum seid ihr nicht gekommen, wir haben so auf euch gewartet!)

Hier in Budjenowskaja bekamen wir nach langer Zeit endlich wieder etwas zu trinken. Nur es war gut gemeint „Wein“ aus den großen Kellereien, aber wir konnten es nach diesen gewaltigen Märschen von insgesamt 1000 km nicht vertragen. Wir lagen alle flach, nur Milch konnte uns helfen.

Ein Erlebnis darf ich hier anführen. 1994 war ich im Klinikum Fulda. Wir waren zwei Patienten im Zimmer, ziemlich gleichaltrig! In einer Stunde, in der es uns einigermaßen gut ging, kamen wir ins Gespräch, „Wo waren Sie im Krieg?“ So stellte sich heraus, wir waren bei derselben Division. Herr Reith war Beobachter im Artillerieregiment 117 und ich im I.R. 50 Melder. Zur gleichen Zeit die Frage, weißt Du noch, wie wir alle blau waren, in Budjanowskaja? Dieses hat keiner vergessen.

Je näher wir dem Gebirge kamen, sah man immer größere Truppen und Panzerfahrzeuge. Gnadenburg war ein deutsches Dorf, die Bewohner waren in den Ural/Sibierien zwangsevakuiert! Ein leeres Dorf und sauber. Hier hatten wir einige Tage Ruhepause. Uns wurde der Film, „die Geierwally“ mit Heidemarie Hathyer gezeigt. Es war für uns eine Abwechslung. Dann habe ich einen Schulfreund aus Himmelstür getroffen, Willi Eggers, die Freude war groß. Willi war bei der 13. Panzerdivision, die an den Kämpfen bei Mosdok, Malgobeck und Ordshonikidse eingesetzt waren. Das Treffen war einmal kurz.

Unser Feldersatzbataillon wurde nun aufgelöst. Wir wurden den Regimenten, Einheiten und Stäben zugeteilt. Mein erster Einsatzort war der Divisionsstab III ID. Feldgendamerie, der in Mosdok am Terek lag. Feldwebel Winterstein hatte ich als Vorgesetzten, natürlich auch Unteroffiziere (die Namen sind mir entfallen). Meine Aufgaben waren in den ersten Tagen für alles zu Sorgen, Unterkunft in Ordnung, hatten Verpflegung empfangen, Schreibstube, Nachrichten und Meldungen zu befördern.

Nachdem bei Malgobek mehrere Hunderte Gefangene in unsere Hände fielen, mussten wir diese bewachen, bevor ein Lager eingerichtet war. Abends kamen Frauen und Töchter von den russischen Männern und baten flehentlich um die Freilassung! Einige haben die Freiheit genommen, wir haben in die Luft geschossen. Dabei war mein Gedanke, wenn Du einmal in so eine Lage kommst, wird Dir vielleicht auch geholfen! Natürlich war so etwas strengstens verboten.

Bei den Kämpfen in vorderster Front um Malgobek gab es viele Ausfälle. So wurden wir eines Tages zu den Kompanien abgestellt. Dabei wurde ich dem IR 50 zugeteilt, es war die 5. Kompanie!

Die Angriffe wurden durch V-Werfer unterstützt. Dieses hatte ich noch nicht erlebt und gehört. Beim Abschuss von einer Stafette mit 12 Geschossen ging ein Heulen durch die Luft, die Geschosse hatten Pressluft. Die Toten lagen, als wären sie im Schlaf. Die Lungen waren geplatzt.

Diese Angriffswaffen wurden eingestellt, denn der Russe drohte dann mit Gas! Aber die Stalinorgeln waren sehr gefährlich. Es waren Salvengeschosse, mit ca. 20 Geschossen bestückt. Der Abschuss war mit einem unheimlichen Heulton verbunden, zur Abschreckung.

Unsere Stellungen und Bunker waren in einer hügeligen Landschaft mit Buschwerk und Gestrüpp im Vorgebirge. Bei einem Granatangriff der Russen bin ich dann am 07.10.1942 schwer verwundet worden. Ich wurde spät abends mit einen Sanka zum Feldlazarett gebracht. Diese Fahrt werde ich nicht vergessen. Es ging durch die hügelige Landschaft, ich war voller Granatsplitter und hatte sehr viele Schmerzen. In Georgien wurde ich so lange behandelt, bis ich transportfähig war. Dann war die Fahrt in einem Lazarettzug nach Stalino in ein Kriegslazarett. Hier war alles bestens ausgerüstet, auch mit DRK-Schwestern zur Pflege. Einige Splitter wurden entfernt, die Lungenstecksplitter rechts und links hat man sitzen gelassen. An der Lunge wurde ich dann bei vollem Bewusstsein „punktiert“. Die Schmerzen waren sehr groß, zwei Sanitäter mussten mich festhalten, ich wäre vom Tisch gesprungen. War doch die Behandlung ohne Betäubung.

Hier hörten wir jeden Abend das Geschützfeuer bei Stalingrad. Ende November wurde ich mit einem modernen Lazarettzug nach Lublin in Polen verlegt. Nach 14 Tagen sollte ich nach Deutschland verlegt werden, die DRK-
Schwestern wollten mich gern über Weihnachten da behalten. – Aber ich hatte Sehnsucht nach der Heimat.

Anfang Dezember 1942 fuhr ich dann liegend mit dem Lazarettzug durch Böhmen nach Bagern in die Oberpfalz. Der Böhmerwald war tief verschneit. Da der Lazarettzug nicht schnell gefahren ist und wir alle liegend waren, konnten wir vom Fenster aus die verzauberte Landschaft sehen. Wir wurden nach schwerer Verwundung auf die Städte Neumarkt, Weiden, Straubing und Amberg verteilt. In Amberg wurden die schweren Fälle dem Standortlazarett zugewiesen. Ein sauberes schönes Lazarett von den evangelischen Diakonissen und DRK-Schwestern im Pflegedienst geleitet.

Wir waren mit sechs Mann auf einem Krankenzimmer. Da ich die schwerste Verwundung von uns sechs hatte und auch der Jüngste im Zimmer und Lazarett war, hatte ich wohl eine besondere Betreuung von der Stationsschwester Maria, eine Diakonisse, die wie eine Mutter zu mir war. Schwester Ria, eine Rote-Kreuz-Schwester, hatte unsere Zimmerbetreuung und sorgt sich sehr rührend.

Nun kam Weihnachten 1942. Alle Zimmerkameraden bekamen Urlaub. Nur ich war noch nicht reisefähig und musste da bleiben. Ich war sehr traurig, die ersten Weihnachten nicht zu Hause!

Die Schwestern verwöhnten mich am Heiligen Abend. Ein Chor der Schwestern sang die schönsten Weihnachtslieder und brachte mir Geschenke. Am Weihnachtstag kam eine Mädchenklasse aus einem Gymnasium, erfreute uns dagebliebenen mit Geschenken und Weihnachtsliedern. Draußen war eine tief verschneite Landschaft, ich war froh in der Heimat zu sein. Meine Wunden waren fast alle verheilt. Im Januar sollte ich dann nach Goslar in meine Heimat Niedersachsen verlegt werden, darauf freute ich mich schon sehr.

Das neue Jahr 1943 erlebte ich im Lazarett mit meinen Kameraden, unsere Gedanken und Gespräche waren, wann ist Schluss? Wir hofften ja auf einen Endsieg, waren wir doch nach Russland gezogen und marschiert um „Unser Vaterland“ zu verteidigen, um die Heimat vor den Kommunisten zu retten. Voller Hoffnung waren wir alle.

Anfang Januar durfte ich aufstehen und dann auch spazieren gehen. So habe ich im Schnee einen Spaziergang zur Wallfahrtskirche „Maria-Hilfsberg“ unternommen und gedankt für alles, für die Heilung usw.

Anfang Dezember 1942 fuhr ich dann liegend mit dem Lazarettzug durch Böhmen nach Bagern in die Oberpfalz. Der Böhmerwald war tief verschneit. Da der Lazarettzug nicht schnell gefahren ist und wir alle liegend waren, konnten wir vom Fenster aus die verzauberte Landschaft sehen. Wir wurden nach schwerer Verwundung auf die Städte Neumarkt, Weiden, Straubing und Amberg verteilt. In Amberg wurden die schweren Fälle dem Standortlazarett zugewiesen. Ein sauberes schönes Lazarett von den evangelischen Diakonissen und DRK-Schwestern im Pflegedienst geleitet.

Wir waren mit sechs Mann auf einem Krankenzimmer. Da ich die schwerste Verwundung von uns sechs hatte und auch der Jüngste im Zimmer und Lazarett war, hatte ich wohl eine besondere Betreuung von der Stationsschwester Maria, eine Diakonisse, die wie eine Mutter zu mir war. Schwester Ria, eine Rote-Kreuz-Schwester, hatte unsere Zimmerbetreuung und sorgt sich sehr rührend.

Nun kam Weihnachten 1942. Alle Zimmerkameraden bekamen Urlaub. Nur ich war noch nicht reisefähig und musste da bleiben. Ich war sehr traurig, die ersten Weihnachten nicht zu Hause!

Die Schwestern verwöhnten mich am Heiligen Abend. Ein Chor der Schwestern sang die schönsten Weihnachtslieder und brachte mir Geschenke. Am Weihnachtstag kam eine Mädchenklasse aus einem Gymnasium, erfreute uns dagebliebenen mit Geschenken und Weihnachtsliedern. Draußen war eine tief verschneite Landschaft, ich war froh in der Heimat zu sein. Meine Wunden waren fast alle verheilt. Im Januar sollte ich dann nach Goslar in meine Heimat Niedersachsen verlegt werden, darauf freute ich mich schon sehr.

Das neue Jahr 1943 erlebte ich im Lazarett mit meinen Kameraden, unsere Gedanken und Gespräche waren, wann ist Schluss? Wir hofften ja auf einen Endsieg, waren wir doch nach Russland gezogen und marschiert um „Unser Vaterland“ zu verteidigen, um die Heimat vor den Kommunisten zu retten. Voller Hoffnung waren wir alle.

Anfang Januar durfte ich aufstehen und dann auch spazieren gehen. So habe ich im Schnee einen Spaziergang zur Wallfahrtskirche „Maria-Hilfsberg“ unternommen und gedankt für alles, für die Heilung usw.


Das Kriegsjahr 1943

Anfang Januar war ich vom Standortlazarett Amberg in die Stadt Amberg in ein Reservelazarett verlegt worden. Hier wartete ich auf den Bescheid von Goslar. Die Verwaltung der Lazarette in der alten Kaiserstadt war im Hotel„Achtermann“ untergebracht. Mitte Januar kam überraschend mein Vater zu Besuch nach Amberg. Ich habe mich sehr gefreut. Vater war einige Tage da. In dieser Zeit wurden die Papiere fertiggestellt. Vater war gleichzeitig mein Reisebegleiter, sonst wäre ein Sanitäter nach Goslar mitgefahren. So war es mir aber lieber. Von Amberg für den Zug nach Nürnberg. Hier bekamen wir einen D-Zug und hatten gute Plätze und konnten die verschneite Landschaft betrachten und natürlich erzählen. In Goslar hat sich Vater von mir verabschiedet und fuhr nach Hildesheim/Sorsum um allen zu berichten. Da Goslar eine Kleinstadt war, viele Hotels und Schulen, sowie Heime hatten, waren auch sehr viele Lazarette dort. Die Untersuchung fand im „Achtermann“ statt. Dort war der zuständige Sanitätsstab. Meine Unterkunft war das „Theresienheim“. Sehr schön gelegen am Waldesrand. In der Nähe von der Zeche „Rammelsberg“. Dort hatte man bis zum Krieg Erz abgebaut.

Die Unterkunft, Verpflegung und Betreuung war bestens. Nach drei Wochen wurde ich zum „Hessenkopf“ verlegt. Die ehemalige Reichsbauernschule lag direkt im Walde. Hier gab es nur Einzelzimmer, wie vorher, Verpflegung war gut. Betreuung von Schwester Johanna. Wir hatten auch viel Freude, trotz der schweren Zeit.

Im März wurde ich zur Erholung auf einen großen Bauernhof in Varlosen bei Dransfeld geschickt. Die schwer Verwundeten wurden dafür von ärztlicher Seite ausgesucht. Vom Bahnhof Dransfeld wurden wir mit einer Kutsche abgeholt. Die Bauernfamilie war sehr freundlich und auch zuvorkommend. Wir waren drei Soldaten in diesem Dorf und sollten uns erholen. Nun, bei der Verpflegung und mit spazierengehen habe ich sehr viel zugenommen. Auch die schöne Zeit ging zu Ende. Vom Lazarett entlassen, mit allen guten Wünschen, musste ich mich bei der Genesen-Kompanie 194 in Hildesheim melden. Ich bekam Urlaub und danach leichten Dienst in der Kaserne. Wurde Bursche beim Kompanieführer. Ich hatte die Wohnung in Ordnung zu halten und Verpflegung abzuholen sowie alle sonstigen Sachen zu erledigen. Auch bekam ich öfter Urlaub, um Blumen in Sorsum zu holen – für die vielen Freundinnen.

Anfang Juni wurden wir zu einem Marschbataillon zusammengestellt – die Fahrt ging Richtung Osten. In Dresden hatten wir Aufenthalt und auch dort musste ich Blumen für den Chef besorgen, damit wollte er eine Bekannte überraschen. Weiter rollte der Transportzug – in Hydebreck einen Verkehrsknotenpunkt der Bahn (Oberschlesien) mussten wir einige Tage warten. Exerzieren und Heidelbeeren suchen, zur Abwechslung. Dann rollten wir ohne Aufenthalt unserem Ziel entgegen. Die Minsfron-Taganrog war die nächste größere Stadt. Wir wurden dann den Kompanien zugeführt. Es waren in vorderster Front ausgebaute Stellungen in einem tiefen Bunkersystem. Ende Juli hatte ich Beschwerden mit den Granatsplittern. Für 14 Tage durfte ich das Erholungsheim der 111. Division in Taganrog aufsuchen. Wir wurden bestens betreut. Am Asowsches Meer konnten wir an diesen weißen Sandstrand die Ruhe genießen. In der Ferne hörten wir ab und zu Geschützdonner. In Tangrog – eine schöne Stadt – habe ich auch die Aufnahmen für meine Lieben zu Hause anfertigen lassen. Die Bilder sind etwas dunkel mit einem sehr ernsten Gesichtsausdruck. Zur Erheiterung konnten wir abends einen Theaterabend erleben mit ukrainischem Chor usw. Hier lernte ich Karl Ramsner aus Steyv, in Österreich kennen. Wir waren beide im Erholungsheim und erlebten viel gemeinsam. Karl war bei der Artillerie 117 und ich bei IR 50!

Ende August 1943 waren wir eingeschlossen, die Steppe brannte. Wir haben uns verzweifelt gewehrt. Dank der kraftvollen Unterstützung von dem StuKa-Geschwader Rudel und Sturmgeschütze gelang unter Generalleutnant Recknagel, „Seitengewehr pflanzt auf“ der Ausbruch aus diesem Kessel der 111. Division und der 336 I.D. in Richtung Mariupol-Melitenpol. Ein Funkspruch des russischen Oberkommandos, Generalleutnant Recknagel steht 12.00 Uhr am 30. August auf dem Marktplatz von Taganrog als Gefangener. Nun diesen Gefallen konnten wir den Russen nicht erfüllen.

Jetzt war der Rückzug zur nächsten Stellung, in Richtung Mariupol-Melitepol. Wir sind vorbei an der brennenden Stadt Mariupol, von russischen Jagdfliegern im Tieflug verfolgt, dabei bin ich verwundet. Das nächste war ein Verbandplatz, dann in ein Lazarett nach Melitepol. Hier war ich nur einige Tage, dann wurde ich nach Cherson in ein Kriegslazarett verlegt. Hier bekam ich dann auch einen sehr schweren Malariaanfall, Schüttelfrost mit 40 Fieber tagelang, nur trinken, kein Appetit. Nach einer Woche wurde es besser. Ein volksdeutsches Mädchen aus Cherson besuchte mich des Öfteren. Sie hatte von meinem Zustand erfahren, da sie bei den Rote-Kreuz-Schwestern beschäftigt war. Es waren Minuten der Abwechslung. Ich sollte von meiner Heimat erzählen. Dieses Mädchen hat nur zugehört und war glücklich.

Nachdem ich transportfähig war und kein Fieber mehr hatte, wurde ich Anfang November 1943, liegend in ein DRK-D-Zug Richtung Heimat transportiert. Das Ziel war Oberschlesien. In Kreuzburg wurden etliche Verwundete ausgeladen, dazu gehörte auch ich. Das Reservelazarett-Bethanien, welches von der ev. Diakonissen und DRK-Schwestern geleitet wurde, war das Endziel. Kreuzburg war eine schöne gemütliche Kleinstadt. Gustav-Freytag, der Schriftsteller, war hier beheimatet.

Schwester Elisabeth war rührend um mich besorgt. Ihr Bruder Georg war auch an der Ostfront, so waren wir gleich im Gespräch. Dazu kam, ihr Elternhaus war ein Bauernhof in der Nähe „Schönewald“ und da gab es viel zu erzählen!

Im November besuchte mich meine Schwester Toni einige Tage. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Nun Toni hatte auch gleich Kontakt mit einigen Kameraden. Sonst war die Bevölkerung sehr herzlich und aufgeschlossen uns gegenüber.

Wir wurden sonntags auf einen Bauernhof (2 Soldaten) eingeladen, mit der Kutsche abgeholt und dann von der ganzen Familie herzlich begrüßt und verwöhnt. Es waren immer schöne Stunden. Abends gab es noch ein Kuchenpaket mit in das Lazarett. Auch habe ich mit noch einem Kameraden eine Hochzeit erlebt. Wir waren eingeladen von der Braut. Die Bevölkerung war einmalig!

Im Dezember – Nikolaustag – wurden wir nicht vergessen, kleine Geschenke von Schulklassen erfreuten uns. Weihnachten 1943 kam immer näher, Urlaub wurde abgelehnt. Da war ich natürlich sehr traurig. Nun Schwester Elisabeth hat es doch geschafft und brachte mir am Heiligen Abend einen Urlaubsschein. Da war ich froh und dankbar. Am 1. Weihnachtstag konnte ich fahren. Mit einem Fronturlauberzug für ich ab Oppeln über Dresden quer durch Deutschland und Northeim. Dort musste ich umsteigen. Der Urlauberzug fuhr nach Köln. Von Northeim fuhr ich dann in den frühen Morgenstunden des 2. Weihnachtstages nach Hildesheim-Emmerke. Die Eltern und Geschwister waren freudig überrascht, wie ich vor der Haustür stand. Ich konnte ja keine Nachricht vom Kommen mehr geben. Die freudige Stimmung wurde mir getrübt über das ungewisse Schicksal von meinem Bruder Josef im Osten. Auch ich konnte ja nicht sagen, wusste ich auch nicht bei welcher Einheit mein Bruder war. In dieser Woche besuchte ich Bekannte und hatte auch sehr viele Einladungen. Aber ich hatte keine große Lust, immer zu von dem Schrecklichen zu berichten. Ich hörte von den Luftangriffen auf Kassel, Hannover usw. Es war doch sehr bedenklich. Hofften wir immer noch auf die versprochenen Wunderwaffen, um die Heimat vor den Bolschewisten zu schützen. Die Grausamkeit, die oft an vielen Verwundeten und Gefangenen verübt wurde, wollten wir unseren Angehörigen ersparen. So fuhr ich schweren Herzens Ende Dezember 1943 wieder zurück in das Lazarett Kreuzburg, wo ich von den Kameraden und Schwestern herzlich begrüßt wurde.

Das Jahresende und Jahresbeginn 1943/1944 haben wir im Lazarett Bethanien, Kreuzburg mit Hoffnung auf einen baldigen Schluss gedacht. Was wird noch kommen?

 


Kriegserinnerungen 1944 (Ergänzung Ostfront 1944)

Im Januar 1944 befand ich mich im Reservelazarett Kreuzburg/Oberschlesien. Von dort wurde ich im Februar verlegt in ein Lazarett in Obernigk bei Trebnitz/Schlesien.

Im März wurde ich zur Genesungskompanie 194 Aschersleben/Harz entlassen. Mitte April Aufstellung eines Marschbataillons – das Ziel war Osten. Die Fahrt ging durch Ostdeutschland-Karpaten-Rumänien. Ein Feldflughafen war unser Ziel. Hier wurde uns mitgeteilt, wir kommen zur alten Einheit IR 50 111 ID, die auf der Krim im Festungsgürten von Sewastopol lag.

Bei gutem Flugwetter sind wir mit der HE 111 25 Mann an Bord über das schwarze Meer zur Krim geflogen. Bei der Landung empfing uns schon russisches Flackfeuer. Der Divisionskommandeur, General Gruner, empfing uns, was wollt ihr hier noch! „Befehl ist Befehl“. Beim Regimentsstab von IR 50 traf ich einen Schulfreund aus meiner Heimat, Hermann Bruns Er war Funker! Die Freude war groß. Dann wurden wir den Kompanien zugeteilt, die in der vordersten Stellung lagen!

Die Erlebnisse – Sewastopol – Mai 1944 möchte ich heute genau beschreiben:

Sonntag, der 5. Mai – ein schöner Tag scheint es zu werden. In den Morgenstunden Nebel, später blauer Himmel und Sonnenschein. Dann ist es soweit, ein gewaltiges Trommelfeuer aus hundert von schweren Geschützen, Salvengeschützen und schweren Granatwerfern eröffnen das Feuer. In den Vormittagsstunden treten die russischen Schütendivisionen zum Angriff an. Sie werden von Kampf- und Schlachtfliegerverbänden unterstützt. Wir haben noch ein Gebiet zu verteidigen von 20 km Breite, 8 km Tiefe, dann kam das zerstörte Sewastopol und dahinter das Schwarze Meer!

Die erbitterten Kämpfe dauerten mehrere Tage. Die Stellungen wurden öfters gewechselt. Der Russe setzte immer wieder Panzer zur Unterstützung seiner Infanterie ein. Wir haben uns verteidigt, es wurde verloren gegangenes Gelände wieder zurück erobert. Aber am 7. Mai mussten wir der Übermacht weichen, der Russe stürmte mit dem Schrei „Hände hoch“ nun ich tat es nicht. Ein Schuss aus der MP in den Rücken, ich fiel um, konnte nicht mehr laufen. Die Russen stürmten weiter, ich fand keine Beobachtung. Nach einiger Zeit wollte ich aufstehen. Rückenschuss und konnte es aber nicht. Sie bin ich durch die hügelige Landschaft gekrochen. Unterwegs traf ich einen Kameraden mit einem Bauchschuss. Wir zwei haben uns untergefasst und sind zur nächsten Verbandsstelle, die in einer Schlucht untergebracht war, gehumpelt. Wir wurden nur notdürftig verbunden. Das Verbandsmaterial war ausgegangen. Mit einem Sanka sollten wir zu einem Feldflughafen gefahren werden. Unterwegs bekam das Fahrzeug einen Treffer, wir flogen raus. So legte man uns dann an die Steilküste in das freie Gelände, es waren tausende von Verwundeten, ein Gestöhne und Geschrei. Es gab keine Medikamente mehr. Ein bekannter Unteroffizier von der Feldgendarmerie der 111. ID erkannte mich wieder und redete mir Mut zu. Wir waren August/September 1942 in Modok vom Terek/Kaukasus zusammen gewesen. Jetzt kamen russische Aufklärer, etwas später Jagd- und Kampfflieger, die gnadenlos im Tiefflug auf die Verwundeten geschossen haben. Wer konnte, rettete sich in die Höhlen, die an der Steilküste waren. Nun wartete alles auf die Schiffe. Es kam ein Schiff noch durch, nach dem schon mehrere größere Schiffe mit tausenden von Soldaten, gesunden und verwundeten versenkt worden waren.

Der kleine Dampfer „Helga“ hat noch Munition an Bord, die wir Verwundete erst in das Wasser werfen müssen. Auf diesem Schiff waren nur Verwundete gekommen. Die Verwundung musste vorgezeigt werden. Ein Major und ein Hauptmann überprüften alles. Es wollten ja noch tausende Gesunde mitgenommen werden. Beim Auslaufen haben sich viele an die Taue gehängt, sind dann aber in das Mehr gefallen. Die Aufklärer kommen bald, danach kamen die Bomber, das Schiff bekam einen Volltreffer –Feuer bricht aus. Wer unversehrt ist, springt über Bord. Pionierfähren retten was sie können.

Dazu gehöre auch ich. So kommen wir großen Gefahren nach 13 Stunden in Constanza an. Die Stunden werde ich nicht vergessen können. Es war unbeschreiblich. Für die Rettung danke ich unserem „Herrgott“.

Meine Rettung durch Fahrprämen im Schwarzen Meer und eine 13 stündige Fahrt nach Constanza, kamen einem Wunder gleich.

Nach Ungarn in 2 Lazarette Debrezin und Grßwardein! Operation und Blut gespendet nach 6 Wochen KV entlassen mit Marschbefehl zur Frontleitstelle Kischinew/Besserabien. Vorn dort zur 161 Infanterie-Division die restlichen kämpfen der alten 111 Infanterie-Division wurden gesammelt und als Traditionsverband IR 50 der 161 Infanterie-Division unterstellt. Die Einheit lag am Dngster gegenüber Tiraspol.

Ende August 1944 kam der Rückzugsbefehl mit allen Beschwerden, Chaos usw. Gefangennahme in einem Maisfeld. Der Marsch in ein großes Sammellager von Deutschen in Tiraspol! Nicht zu beschreiben. Von dort ging es Ende September 1944 mit einem Gefangenentransport in das Bergwerk- Novo-Schachty. Bis zum gesundheitlichen Zusammenbruch Januar 1945!


Mein Jahr in der Kriegsgefangenschaft!

Vom 20.8.1944 bis 25. 10.1948 (Entlassung!)


1945

Vom 20. September bis 15. Januar 1945 war ich im Kohlebergwerk Novo-Schachty. Der Schacht war sehr primitiv. Wir mussten täglich die 200 bis 300 m. tief auf Holzleitern runtersteigen, nach 13-14 Stunden Arbeit wieder hoch klettern. Morgens bevor wir ausrückten, gab es eine dünne Kohl- oder Hirsesuppe, dazu 100 gr. Brot. Bei der Arbeit im Stollen, die oft bei einem Wasserstand von 0,50 m. ausgeführt werden musste, gab es oft Schläge und Unglücke, wenn die Norm nicht geschafft wurde. Abends noch dem Einmarsch in das Lager, oft stundenlang Zählappell auf dem Lagerplatz., bei klirrender Kälte und viel Schneetreiben.

Weihnachten 1944 war ein Arbeitstag wie immer, da ja ein Feiertag im Herzen, die Gedanken in der Heimat waren, wollte ich abends nach der Schicht diesen Tag etwas für mich im Stillen gedenken. 200 gr. Brot hatte ich mir aufgehoben. Dann hatte ich noch einen lieben Brief aus der Heimat retten können , den ich vor meiner Gefangennahme noch bekommen hatte. Eine liebe Brieffreundin hatte in ein vierblättriges Kleeblatt mit einer Nadel gestickt „Komm gut heim!“. Alles war mir gestohlen worden – auch die letzten Verbindungen zur Heimat, da habe ich bitterlich geweint.

Von 1800 Soldaten im September, waren im Januar noch 600 übrig geblieben. 1200 hatten wir in der hart gefrorenen Erde nach Feierabend beigesetzt. Viele Erfrierungen gab es, da wir nur unsere Sommerbekleidung von der Wehrmacht hatten. Die guten Schuhe wurden uns weggenommen, dafür gab es Holzschuhe u. Fußlappen.

Aufgrund des hohen Krankenstandes und der vielen Toten, kam eine ärztliche Kommission von Moskau. Wir wurden untersucht und durften nicht mehr arbeiten.

Mitte Januar 1945 wurden wir in einem Güterzug verladen, auf Stroh- und Holzboden. Bei eisiger Kälte und einem schneetreibenden Ostwind ging die Fahrt in den Süden – Richtung Kaukasus! Die Toten wurden aus den Waggons in den Schnee geworfen. Ich bekam von einer jüdischen Ärztin täglich eine Spritze, so habe ich diesen Transport überlebt.

Am 20. Januar 1945 kamen wir in Georgijewsk an. Hier hatte ich 1942 als Verwundeter von der Kaukasusfront/Malgobeck a. Terek, 4 Wochen gelegen. Unsere Unterkunft waren Erdbunker, die aber geheizt waren. Draußen war der Schnee meterhoch. Es war kein Platz mehr für die vielen Toten, die täglich starben. Hier wurden wir auch tagelang verhört. Es wurde alles über Elternbesitz usw. erfragt. Wehe, jemand hat gelogen, bei den vielen Verhören, konnte nur die Wahrheit bestehen. Viele Kameraden wurden abgeführt. Wir haben sie nie wieder gesehen. Abends konnten wir schon sehen, wer in der Nacht stirbt. Die letzten Grüße an Eltern und Geschwister haben wir übernommen und wenn möglich auch weitergegeben. In dieser Zeit war ich so schwach. Nachts wurden wir von Ratten angefressen, dadurch bekam ich hohes Fieber und konnte auch nichts essen.

Dann kam die Verlegung nach Tiflis in ein Hospital. Ich habe mich gewehrt, aber der Befehl von der G.P.U. war mächtiger wie ein ärztliches Gutachten. Meine Ärztin, die mich betreut hatte, fuhr mit diesem Transport auch mit. Sie gab mir einen Trost. „Du bekommst jeden Tag eine Spritze und wirst den Transport überstehen.“ Die Fahrt war vom 15. März bis 25. März 1945.

Im Hospital, welches unter militärischer Aufsicht stand, wurden wir den Umständen entsprechend behandelt. (Es war ja noch Krieg!) Mein Zustand war sehr kritisch, so wurde ich in eine Sterbekammer gelegt, in der Hoffnung der stirbt in den nächsten Stunden. Nach 3 Tagen war ich noch am Leben, so wurde ich wieder in ein Einzelzimmer verlegt. Von jetzt an bekam ich etwas Mich und Weißbrot. Das Weißbrot habe ich in der ersten Zeit verschenkt, keinen Appetit. Die Kameraden waren dankbar. Ein Soldat aus Böhmen besuchte mich des Öfteren. Ich schenkte ihm viel Weißbrot. Im Gespräch wollte er wissen, wo und bei welcher Einheit ich gewesen wäre. Nun ich erzählte offen und frei, ahnte ja nicht, dass es ein Spitzel von der G.P.U. war. Für zusätzliches Essen haben diese Verräter viele Soldaten um die Heimkehr gebracht. So war es auch bei mir. Der G.P.U. Chef vom Hospital besuchte mich des Öfteren. Er erkundigte sich nach meinem Befinden. Noch ahnte ich nichts Schlechtes. Aber nach Wochen kam die entscheidende Frage, „Sie haben im Kaukasus so viele Russen umgebracht, auch Frauen!“ Meine Empörung „Holen Sie den Mann, der dieses gesagt hat“, seine

Gegenüberstellung wurde abgelehnt. Nun da sehen Sie, dieses ist eine Lüge. Meine Antwort war: „Wenn Sie mich erschießen wollen, dann bitte morgen, bei Ihnen komme ich doch nicht nach Hause.“ „Aber wir wollen Sie nicht erschießen, mit Ihnen haben wir noch viel vor und wir haben Zeit.“

Der 8. Mai bescherte uns eine besondere Überraschung, da Friede, Kriegsschluss war, bekamen wir nachts einen halben „Salzhering“ aus Freude! Aber nichts zu trinken, wir hatten großen Durst!

Im Juli 1945 für der erste Krankentransport nach Deutschland, da war ich noch nicht transportfähig. – Langsam habe ich mich erholt. Eines Tages war der G.P.U.-Sekretär nach Moskau für einige Zeit. In dieser Zeit kam die Stellvertreterin zu mir und sagte wörtlich zu mir: „Möhle, Du musst hier raus, in ein deutsches Lager. Chef ist nicht gut!“ Darauf habe ich schon lange gewartet. Ich möchte ja raus aus diesem Hospital, wo man täglich nur das Gejammer und Stöhnen hörte.

Ende 1945 kam ich mit mehreren Kameraden in das Hauptlager Tiflis. Bei der Ankunft wollte man mich wieder zurück schicken. War ich doch so schwach. Ich konnte nicht alleine laufen. Ich wurde rechts und links beim Gehen gestützt. Auf mein Bitten und Flehen „Lasst mich hier und schickt mich nicht wieder zurück“, hat die Lagerleitung entschieden, ich bleibe da. Nun war ich dankbar und glücklich. Da ich Handwerker war, kam ich auf eine Stube mit 15 Handwerkern. Die Schlosser und Schreiner arbeiteten in einem Flugzeugwerk am Stadtrand von Tiflis und auch in der Stadt am Parlament. Jetzt ging es mir langsam besser. Die Kameraden brachten wir Kleinigkeiten aus der Stadt mit, oder ich bekam etwas von ihrem Essen.

Weihnachten 1945 hatten einige aus dem Stadtpark eine Tanne besorgt, die mit etwas Stanniol und Kerzen geschmückt wurde. Es wurde nicht gearbeitet und das Essen war etwas besser wie gewöhnlich. Es war die zweite Weihnacht in Gefangenschaft, ohne Nachricht von zu Hause. Die Heimat war weit entfernt. So manche Träne wurde unterdrückt. Das Heimweh war stark.

Wir wollten uns aber nicht unterkriegen lassen. So ging das Jahr 1945 zu Ende! Unsere Gedanken – wann kommen wir nach Hause? Nun so versuchte ich es dann 1946 mit Arbeiten, eine Ablenkung war nötig. Die Hoffnung gaben wir nicht auf!


Das Jahr 1946 in russischer Gefangenschaft!

Im Lager 7236/1 Tiflis musste ich mich erst wieder an das Arbeitsleben langsam gewöhnen, da ich 1 Jahr nur im Lazarett und Hospital verbracht habe. Die Kräfte kamen langsam wieder. Von den Kameraden wurde ich tatkräftig unterstützt. Zu leichten Arbeiten wurde ich eingeteilt. April/Mai wurde ich dem Arbeitskommando Flugzeugfabrik zugeteilt. Die meisten dieser Brigade waren Schlosser und brachten täglich ein Stück V-Blech mit – versteckt zwischen den Beinen in den wattierten Stepphosen. Aus diesem Blech wurden Essbestecke und Kämme hergestellt, ebenso aus dem Plexiglas wunderbare Kreuze angefertigt. Die Posten und die Bevölkerung in Tiflis waren auf diese Sachen sehr scharf! Für die Rubel wurde Brot, Milch und Obst gekauft. Das Herausschaffen aus der Fabrik wurde abwechselnd getätigt. Eines Tages musste ich ein Stück V-Blech zusammengerollt herausschaffen. Bei der Kontrolle wurde es entdeckt, ein Kolbenschlag und ich lag am Boden. Danach wurde ich abgeführt. Eine Ahnung hatte ich schon, dieses geht schief. Aber ich konnte auch nicht kneifen. Nun wurde ich zum Gericht gezogen, eine strenge Verwarnung und Versetzung in ein anderes Kommando. Jetzt wurde ich einem russischen Zimmermeister unterstellt. Es wurden am Stadtrand Holzhäuser gebaut. Das Holz kam frisch geschnitten vom Sägewerk. Wir mussten es mit einem Beil besäumen. Danach wurden die Bretter voreinander gelegt, verkeilt und festgenagelt. Da das Holz noch frisch war und 40 ° C. waren, konnte man nach einer Woche durch die Fugen Abfall oder Werkzeug verschwinden lassen. Der Meister lobte diese Methode – überhaupt das System, da habe ich nicht den Mund gehalten. Von der Arbeit in Deutschland und besonders vom Essen erzählt, dass wäre eine Lüge. Ich behauptete weiter meine Meinung, da kam der Meister mit der Axt auf mich zu. Der Posten hat sich eingeschaltet, ab dem nächsten Tag durfte ich die Baustelle nicht mehr betreten. Nun wurde ich mit einigen Kameraden in das Lager Deduwe 7230/3 verlegt (Juni). Von dort ging es auf verschiedene Baustellen – auch in die Berge zum Steinesammeln für die Straßenbahn. Hierbei entdeckten wir große Schildkröten. Die Eier wurden zur Küche mitgenommen. Im Juli 1946 für wieder ein Krankentransport nach Deutschland. Ärztlicher Befund – schwere Dystrophie, Malaria, Lungenstecksplitter und Herzbeschwerden, Einkleidung zum Bahnhof, wiederholtes Vorlesen und Abzählen. Nun war ich nicht mehr dabei, die G.P.U. hatte die Worte vom Hospital Tiflis wahr gemacht. „Mit Ihnen haben wir noch viel vor.“ Mit noch einigen Kameraden wurden wir zurück gebracht. Im Lager in der Abgeschiedenheit mussten wir diesen Schmerz verwinden.

In dieser Zeit durften wir das erste Mal 25 Zeilen schreiben. Wir konnten kaum noch schreiben, aber es war eine große Freude. Von jetzt an durften wir alle 4 Wochen schreiben. Die Rückantwort dauerte oft 4 bis 12 Wochen. Eines Tages meldete sich ein Landsmann aus der Hildesheimer Gegend, Willi Wehrmacker aus Detfurth Wir verstanden uns gleich. Willi konnte auch gut russisch und war während der Arbeit in Tiflis unterwegs, gebasteltes Handwerkszeug, Kreuze und Kämme zu verschachern. Die Posten-Wachmannschaften bekamen einen Teil von den gesammelten Lebensmitteln ab und drückten so ein Auge zu. Während ich im Parlament Tiflis als Einschaler gearbeitet habe, haben wir die Nägel aus der Verschalung gezogen, wieder gerichtet und noch einmal verwendet. Die neuen Nägel haben wir mit der Bevölkerung getauscht. Solche Sachen bekamen die Russen nicht. Ebenso war es mit Seife, Tabak und Zucker. Besonders erfreut waren sie, wenn Landser ihnen von den Päckchen aus der Heimat Puddingpulver schenkten, von dem Wackelpudding waren sie restlos begeistert. So vergingen die Tage mit Zählappell – stundenlang. Dann ging es alle vier Wochen zur Badeanstalt – zum Entlausen. Es ist oft passiert, dass am Ende die Sachen fort oder verbrannt waren. Man bekam dann irgendwelche Sachen, die noch aufgetrieben werden konnten. Aber mit welchen Fehlern und Zustand!

Weihnachten 1946 rückte immer näher. Die Post kam ab und zu und wir waren voller Hoffnung. Zum ersten Mal in der Gefangenschaft wurde in Deduwe 7236/3 ein großer Tannenbaum mit Beleuchtung aufgestellt. Dieses war ein großes Geschenk. Das Essen war besser und wir durften Weihnachtslieder singen. Manche Träne ist an diesem Heiligen Abend geflossen. Eines kann ich nicht vergessen, ein guter Kamerad bekam die Post, gleichzeitig wurde von der Frau mitgeteilt: Du brauchst nicht mehr kommen, ich haben einen anderen, so lange kann ich nicht mehr warten. Es war traurig, wir konnten dieses nicht verstehen, doch leider kamen mehr solcher Karten. Zum Jahresschluss wurde uns mitgeteilt, dass wir mit 30 Mann zur Sofjose (Staatsgut) Luxenburg versetzt werden. Dieses Weingut war südlich von Tiflis in einer schönen Gegend zur Türkei. Die Grenze war nicht weit entfernt, doch für uns unerreichbar. Einige Kameraden haben einen Fluchtversuch unternommen. Sie sind erschossen oder halbtot geprügelt worden und dann in ein Straflager gekommen. Der Berg Ararat wo die „Arche Noah“ angeblich gestanden hat, grüßte der Freiheit! Wir warteten, was wird uns das neue Jahr bringen? Nur nicht unterkriegen lassen.

Pfingsten 1946 bin ich beim Zählappell wieder einmal, da es Stunden dauerte, zusammen gebrochen. Ich war bewusstlos und wurde in das Krankenrevier getragen. Dort bemühten sich Schwester Maria, Dr. Manneke und Dr. Meister. Es war eine starke Fischvergiftung, der Fisch war schon schlecht, bei der Hitze von 35°-40° C. Ich bekam jede Menge Milch zu trinken. Danach musste ich erbrechen und es wurde langsam besser. Dr. Mannecke kam von der Uni Marburg, wohnte in Unterluß/Heide! Dr. Meister in Trettnang am Bodensee. Sie haben sich besonders um mich bemüht. Schwester Maria war der Stern vom Lager. Jeder Landser war froh, von ihr einmal gepflegt zu werden. Nach 14 Tagen wurde ich aus dem Revier entlassen und bin wieder zur Arbeit marschiert!


Das Jahr 1947 in russischer Gefangenschaft!

Vom Lager Deduwe 7236/3 fuhren wir durch eine sehr schöne Gegen des Kaukasus. In der Ferne grüßten die hohen Berge, die einen gewaltigen Eindruck auf uns machten, besonders Kasbeck 5047 m.

Da in diesem Lager etliche krank waren, die zurück nach Tiflis in das Revier vom Hauptlager gebracht werden sollten, musste der Lagerbestand zahlenmäßig stimmen. So mussten wir 30 Mann aus Tiflis den Fehlbestand ausgleichen. Was wir jetzt im Winter in den Weinbergen machen sollten, war uns unverständlich. Aber wir kannten ja – Befehl ist Befehl -, so sind wir trotz gefrorener Erde rausmarschiert und sollten die Stöcke von Unkraut befreien. Diese Arbeit habe ich nicht lange durchgehalten.

Im März wurde ich nach Tilflis in Hospital eingeliefert. Die Ärztinnen und Schwestern waren noch von 1945 und begrüßten mich freundlich. Sie waren erstaunt, dass ich noch nicht zu Hause war. Nur die G.P.U. wollte noch nicht. Von März bis Mitte August war im Hospital, in dieser Zeit hatte ich schwere Malaria-Anfälle. Die Malaria hatte ich 1943 an der Mius-Front bekommen und in Abständen bekam ich immer wieder hohes Fieber und Schüttelfrost.

Mitte August 1947 wurden für das Staatsgut Ordschenikidse 40 Arbeitskräfte benötigt. Im Hospital wurde ausgemustert, ich war dabei! Die Fahrt ging über die Berge, in Serpentinen vorbei ein Gletscher vom Kasbeck 5047 m. den höchsten Berg im südlichen Kaukasus. Wir durften nicht runter schauen, es wurde uns schon schwindelig, standen wir doch auf dem LKW und hielten uns gegenseitig. Die Fahrer hatten ihren Spaß an unserer Angst und sind oft gefährlich nahe an steile Abhänge gefahren. Endlich kam das hügelige Land in Sicht. In der Ferne lag die Großstadt Ordschenikidse, bis dort waren auch im September 1942 die Deutschen Panzer vorgedrungen, aber dann war Schluss. Die Berge konnten nicht genommen werden. Auch ich war 1942 in dieser Gegend.

Das Staatsgut wurde von einem Kapitän geleitet mit einer Wachmannschaft von ca. 20 Mann. Wir hatten zur Bewachung einen Feldwebel, der zu uns sehr human war. In einem großen Zelt, welches wir aufbauen mussten, waren wir nun zu Hause. Unsere Arbeit war, die Ernte einzubringen, Kartoffeln, Weizen, Sonnenblumen und Tomaten. Zum Teil wurde das Getreide zum nächsten Güterbahnhof gefahren und dort unter strengster Bewachung verladen. Jeder Sack wurde einige Male gezählt und dann in den Waggon verladen. Einige von unseren Kameraden haben für den „Naschalnik“ Säcke verschwinden lassen, dafür bekamen wir dann 1 Sack Sonnenblumen, der auf dem Basar gegen Milch und Fleisch getauscht wurde. Unser Koch bereitete ein gutes Essen. Es gab nach Jahren wieder einmal Kartoffelbrei und Fleisch. Da wir dieses so lange nicht mehr gehabt haben, schmeckte es besonders. Die Folge, wir waren einige Tage krank.

Ende November/Anfang Dezember 1947 war die Arbeit beendet, die Ernte eingebracht. Nun mussten wir wieder zurück über die verschneiten Berge, in unseren Sommersachen, Bekleidung u. Schuhe/Holzsandalen. Wir haben wir mächtig gefroren. Die Fahrkunst von unseren 2 LKW-Fahrern haben wir bewundert, bei Schnee und Eis.

Einige Tage hatten wir im Lager Deduwe (Tiflis) Ruhe. Dann wurden wir wieder zur Arbeit bei den verschiedenen Brigaden eingeteilt. In dieser Zeit bekam ich auch die Nachricht von der Heirat meiner älteren Schwester. Auf meine Heimkehr konnte sie nicht mehr warten. –Wer wusste denn überhaupt, wann wir nach Hause kamen. In dieser Zeit waren viele Prozesse gegen Kriegsgefangene wegen angeblicher Gewalttaten. Sie wurden zu 25 Jahren verurteilt – obwohl es keine Beweise gab. Man brauchte weiterhin billige Arbeitskräfte. Das Internationale Rote Kreuz verlangte endlich die Heimkehr! So feierten wir die 4. Weihnacht in der Hoffnung irgendwann doch einmal nach Hause zu kommen.

Hier begegneten uns eines Tages japanische Kriegsgefangene und begrüßten uns herzlich! Die Verständigung war Zeichensprache. 1948 war noch einmal eine Begegnung in Dwiri.


Das Jahr 1948 in russischer Gefangenschaft!

Das Jahr 1948 hatte für uns angefangen mit einer Ungewissheit, kommen wir noch nach Hause oder nicht?

Auf jeden Fall habe ich mich immer bemüht zu arbeiten, so gut ich konnte. Die Malaria-Anfälle machten mir viel zu schaffen. Ich war des Öfteren im Hospital – Tiflis. Dort war ich ja kein Unbekannter mehr. Im Lager Deduwe 7236/3 Tiflis war ich jetzt nicht mehr so allein. Von meiner Einheit war keiner da, auch habe ich in den Jahren keinen von der 111. Infanterie-Division getroffen. Mein Landsmann Willi Wehrmacker besuchte mich sehr oft und brachte mir Brot und Obst mit, welches er in der Stadt gegen Zucker, Tabak und Seife, die er schon entbehren konnte, getauscht hatte.

Anfang Mai 1948 wurden wir in das Lager Dwiri 7236/6 im Kaukasus verlegt. Die Fahrt führte uns durch eine schöne Gegend im Kaukasus, vorbei an „Stalins Geburtsort“. Dieser wurde von den Wachmannschaften besonders erwähnt. In Dwiri gab es zwei deutsche Gefangenenlager, ein Wehrmachts- und ein Zivillager. Wir wurden zum Tunnelbau eingesetzt – es war eine sehr schwere Arbeit. Im Juni bin ich bei 40 ° C in der Mittagszeit auf der Baustelle mit Schüttelfrost zusammengebrochen. Nach Arbeitsschluss wurde ich in das Krankenrevier gebracht und gut gepflegt. So wie es wieder einigermaßen möglich war, habe ich die Arbeit wieder aufgenommen. Nur nicht im Krankenrevier liegen und das Jammern und die Wunschträume einiger Kameraden täglich hören. Diese hatten Tabak und verschiedene Kräuter gegessen um nur nicht arbeiten zu wollen und hofften so, früher nach Hause zu kommen. Es war aber nicht der Fall, viele sind an dieser Ernährung gestorben. Nach einigen Wochen Arbeit musste ich zur Lagerleitung kommen. Dort wurde mir dann mitgeteilt, dass ich für meine gute Arbeit und des Willens - trotz Malaria - 8 Tage Urlaub bekäme. Der Urlaub war im Lagerumkreis, in Sichtweite, in einer extra Baracke mit überzogenen Betten. Ein Traum mit guter und reichlicher Verpflegung. Vom Hauptlager Tiflis kam in dieser Zeit ein Verpflegungskommando mit Proviant. Von einem Posten wurde ich gerufen – ein Gruß von Kamerad Willi und fünft Brote bekam ich. Die Freude war groß. So konnte ich einigen Kameraden von diesem Brot geben. In diesem Lager war eine bessere Atmosphäre wie in den vorhergehenden Lagern in Tiflis. Eine Theatergruppe war gegründet und nun wurde an besonderen Tagen ein Stück aufgeführt. Da unsere Behandlung seitens der Lagerleitung und Wachmannschaften immer besser wurde, konnten wir auch unsere Wünsche vortragen. Wir sollten sonntags auch arbeiten (zusätzliche Norm), da wollten wir auch einen Gottesdienst haben, da wir einen katholischen Pfarrer Andreas Wagner aus Zwiesel im Lager hatten. Da wir jahrelang ohne Religion, ohne biblische Gespräche waren, bestanden wir jetzt auf unsere Forderung. Es wurde genehmigt. Wir hatten ja genügend Handwerker, so wurde ein Altar gezimmert. Alles andere wie Kelch, Wein usw. wurde besorgt. Wir staunten sehr, die russischen Offiziere waren beim Gottesdienst anwesend und unser Lagerchor sang extra eingeübte Lieder. Es war ergreifend, nach so vielen Jahren wieder einmal Gottesdienst erleben und mitfeiern zu können. In diesem Sommer schwirrten so viele Gerüchte um Heimkehr umher, wir konnten es nicht glauben, waren wir doch zu oft enttäuscht.

 

Anfang Oktober 1948 war tatsächlich eine Kommission aus Moskau im Lager und untersuchte für den letzten Heimtransport in den nächsten Jahren. Wir kamen von der Baustelle zurück und wollten auch nicht zur Untersuchung. Dieses zur Schau stellen und dann die höhnischen Bemerkungen wollte ich nicht mehr hören. Etwas Stolz hatten wir auch noch! Mein Nachbar war bei der SS gewesen und hatte vorläufig überhaupt keine Aussichten heim zu kommen, doch mich hat er überredet noch zu der Kommission zu gehen. Nun ich ging. Der Leiter dieser Kommission – ein Major aus Moskau – begrüßte mich. „Na Herr Möhle, wie geht es?“ Meine Antwort: „Nicht gut, krank!“ Erstaunen warum - nun ich brauchte nicht zu antworten. Der Lagerarzt im Rang eines Kapitän (Hauptmann) sagte zum Major „Lunge, Herz kaputt und Malaria“ Der Arbeitskapitän dazu „Möhle ist ein sehr guter Arbeiter, könnte nach Hause.“ Zumal ich noch Dystrophie war. Nur der Major schaute mich an „Was machen wir?“ Meine Antwort „Die Entscheidung liegt bei Ihnen.“ „Ich könnte Sie ja schicken, aber nur, wenn Sie dieses Papier unterschreiben!“ Nachdem ich dieses Schreiben durchgelesen hatte, konnte ich unterschreiben und „ja“ sagen. Der Inhalt war folgender:

 

  1. Ich bin ein Freund der Sowjet-Union.
  2. Ich habe nichts gegen die Bevölkerung.
  3. Auch werde ich zu diesem Schreiben immer stehen.

    „Also Möhle, Sie kommen mit in die Heimat.“ Glauben konnte ich es immer noch nicht, war ich doch schon so oft genug enttäuscht.

    Wir wurden neu eingekleidet in Steppjacken und Hosen, Unterwäsche einigermaßen brauchbar. Nachdem wir vor dem Transport schon einige Male zum Zählen antreten mussten, kamen einige Kameraden aus der Heimat: ich möchte doch den Eltern berichten und Grüße bestellen. Ich habe dieses versprochen und auch gehalten! Die Eltern von Heinz Fuest aus Hannover und Wilfried Heinecke aus Meyrum bei Peine. Die Freude war groß, konnte ich doch auch nur das Gute berichten.

    Nachdem der Transport zusammengestellt war, ging die Fahrt am 05.10.1948 von Dwiri aus los. Die Verabschiedung von der Bevölkerung war sehr herzlich, die Tränen liefen und wir bekamen kleine Geschenke. Aber wir verschenkten aus Freude was nur möglich war, es waren Kleinigkeiten.

    Auf der Fahrt wurde in den größeren Städten halt gemacht und neue Waggons mit Heimkehrern angehängt. Es war schönes Wetter. Die Fahrt ging am Schwarzen Meer entlang Richtung Norden, nach Rostow. Am Meeresstrand lag die russische Bevölkerung und sonnte sich! Die Türen in den Waggons standen weit auf - schon eine kleine Freiheit. Vor Rostow bekam ich wieder einen schweren Malariaanfall mit Schüttelfrost und hohem Fieber. Meine Bitte, an die Kameraden, sagt bitte nichts, sonst werde ich ausgeladen und ob ich dann die Heimat sehe? War nicht sicher. Es wurden immer wieder Kameraden von der G.P.U. herausgeholt, zum Verhör, wir haben sie nicht wieder gesehen.

    Die Fahrtstrecke war durch die Ukraine nach Brest-Litonks-Polen mit Ziel Frankfurt/Oder! Wir haben in Kasernen übernachtet, wurden gezählt und überprüft! Dann fuhren wir weiter durch Mitteldeutschland nach Erfurt. Unterwegs hatten wir ein Gefühl, das nicht zu beschreiben war. Wir hätten vor Freude weinen können, wir konnten es aber nicht. Zuviel lag hinter uns und so viele Kameraden haben wir nicht mitnehmen können. Die letzten Grüße wurden uns aufgetragen und dann war es aus. Unterwegs grüßten uns einige an der Bahnstrecke. Aber was uns erstaunte, überall arbeiteten Frauen. Die zerbombten Städte wurden langsam wieder aufgebaut. An einem Wochenende im Oktober 1948 kamen wir in Erfurt an. Unser Quartier war in der Nähe vom Dom. Hier wurden wir auch verpflegt. Die Fahrt wurde immer langsamer. Wir fuhren durch das Eichsfeld – Ahrenshausen war Endstation. Hier war die russische Zone zu Ende. Auf der Westseite waren die Engländer. So sind wir dann am 25.10.1948 über die Zonengrenze marschiert. Drüben standen schon die Busse, die uns in das Lager Friedland bringen sollten.

    Wir sind durch eine Öffnung des Grenzzaunes marschiert und wurden von englischen Wachmannschaften in Empfang genommen! „Wir sind frei, endlich in Freiheit nach so vielen Jahren.“ Im Stillen haben wir Gott für diese Gnade gedankt. Das Lager Friedland war aus Wellblechhütten (ehemals Truppenunterkunft) für uns nur für eine Nacht.

    Jetzt begannen von der englischen Seite die Verhöre und Untersuchungen. In Göttingen waren wir einen Tag, dann war mein Ziel ein Lazarett in Groß-Bülten bei Peine. Eine ehemalige Kaue auf einer Erz-Zeche. In Hannover war Zwischenstation. Wir wurden vom Roten Kreuz verpflegt. Brote wurden verteilt. Es sah aus wie Käse, nun darauf hatten wir großen Hunger. Die Enttäuschung war groß, es war Kürbis!

    In Groß-Bülten wurden wir natürlich wieder untersucht. Hatte ich doch eine schwere Dystrophie und Malaria, außer den Verwundungen und Herzrhythmusstörungen.

    In Groß-Bülten besuchte mich Ingrid aus Sorsum, meine Brieffreundin aus den Kriegsjahren. Ingrid war in der Nähe auf einem Bauernhof. Ihr Vater, Oberförster in Sorsum – jetzt ohne Dienststelle. Die Freude war sehr groß. Ingrid braucht mir Obst mit und ich hatte Schokolade für Ingrid. Nach so vielen Jahren haben wir uns wieder gesehen. Wir konnten nicht viel sagen vor innerer Bewegung und Freude.

    Anfang November konnte ich das erste Mal auf Urlaub nach Hause fahren. Die Freude war groß, doch ich musste mich erst langsam wieder an die Heimat gewöhnen. Vieles war anders – wir konnten so manches nicht verstehen!

Johannes Moehle  
Johannes Möhle  


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