© Heimat und Geschichtsfreunde Rommerz

Begriff, Umfang und Organisation des Landes Fulda im 19. Jahrhundert
Von Heinrich Jakob Stöhr, aus den Fuldaer Geschichtsblättern 1934

Wer sich näher mit der Heimatgeschichte oder Volkskunde des Fuldaer Landes beschäftigt, wird unwillkürlich ab und zu die Frage aufwerfen, auf welche Gebiete unseres deutschen Vaterlandes er sich in seiner Forschung zu beschränken hat. Die Frage erhält eine eindeutige Antwort bezüglich der Geschichte vor 1800. das Fuldaer Land ist für diese Zeit geichbedeutend mit dem Hochstift Fulda. Als aber die geistilich Herrschaft ihren Endpunkt erreichte, wechselte unser Gebiet häufiger als vielleicht irgendein anderes deutsche Land den Besitzer und gehörte nacheinander zu den verschiedensten Staatsgebilden. Und wie das Fuldaer Land den Herrn wechselte, so sah dieser im "Land Fulda" etwas jeweils Neues. Vorliegende Arbeit stellt sich die Aufgabe, zu untersuchen, welche Gebietsteile unterr dem Namen eines "Landes Fulda" im Laufe des 19. Jahrhunderts zusammengefasst wurden und in welcher Weise sie verwaltungstechnisch organisert waren.

A. Das Hochstift Fulda um das Jahr 1800

Das Hochstift Fulda war kein Staat im modernen Sinn des Wortes. Zwar war der Fürstbischof als Lehnsmann des Kaisers der eigentliche und alleiniger Träger der Landeshoheit; doch neen ihm beanspuchte das Domkapitel als einziger Landstand eine Art Mitregierung. Es ist für die vorliegender Arbeit nebensächlich, in welchem Verhältnis der Bischof als Landesherr zu dieser Körperschaft stand.Wesentlich dagegen ist die Tatsache, dass diese Teilnahme an der Verwaltung des Landes eine ungleichförmige Gestaltung und Gliederung des Territoriums mit sich brachte. Neben den unmittelbar dem Landesherrn unterstellten Verwaltungsbezirken finden sich solche, die - namentlich bezüglich der niederen gerichtsbarkeit - dem Domkapitel als Körperschaft oder einzelnen Mitglieder dieser Körperschaft, den Pröpsten, unterstellt waren und am besten als mittelbar fürstlich bezeichnet werden. Im folgenden soll der Versuch gemacht werden, den Umfang der einzelnen Verwaltungsbezirke, der Ämter, festzustellen. bei der Spärlichkeit der eigentlichen Quellen ist es durchaus möglich, dass der eine oder andere Irrtum mit unterläuft.

I. Die fürstlichen Ämter
Wann die Ämter im einzelnen entstanden sind, steht noch nicht einwandfrei fest. Es will mir scheinen, als ob sie in unserer gebirgigen Gegend ihren Ursprung in dem Zusammenschluß der Bewohner eines oder mehrerer Flußtäler genommen haben. Diese Talschaften oder wenn man will, Kantone, scheinen von einer Burg aus verwaltet worden zu sein; zumeist mag diese Burg auf einem das Tal beherrschenden Bergvorsprung gestanden haben, aber vereinzelt können auch Wasserburgen vorhanden gewesen sein. In späterer Zeit, vielleicht im 17. ode 18. Jahrhundert, sind die Amtsitze dann von Burgen in die bedeutendsten Orte des jeweiligen Talsystems verlegt worden. Das diese Annahme berechtigt ist, zeigen uns noch die Verhältnisse wie sie um das Jahr 1800 bestanden. Wir haben Ämter mit Hauptorten, die man geradezu als Hauptstädte bezeichnen kann, neben solchen, deren Sitz noch auf der alten Burg erhalten war. Ihrer Bedeutung nach werden die fürtstlichen Ämter geschieden in einfache Ämter, mit einem Amtmann an der Spitze und in Oberämtern, deren Verwaltung neben dem Amtmann noch ein adliger Oberamtmann vorstand.

1. Das Vizedomamt der Residenzstadt Fulda umfaßte das noch heute wohl erkennbare Gebiet der Altstadt innerhalb des Mauerrings einschließlich der Peters- und Florengasse.

2. Das Amt Altenhof bildete den Gerichtsbezirk für die fürstlichen Vorstädte der Residenz. Es teilt sich in die Ober- Mittel- und Untergemeinde, die auch den Namen Tränkergemeinde führte.

3. Das Oberamt Bieberstein hatte seinen Sitz noch auf der Burg. Zu ihm gehörten die Ortschaften des Biebertals und des oberen Ulstergrundes: Almus, Armenhof, Batten, Bieberstein, Brand, Dietges, Egelmes, Elters, Findlos, Gotthards, Gruben, Hausarmen, Hofbieber, Kermes, Kielos, Langenbieber, Liebhards, Mahlerts, Magretenhaun (zur Hälfte) Melperts, Niederbieber, Oberbernhards, Obernüst, Rödergrund,  Sandberg, Schwarzbach, Seiferts, Steens, Thaiden, Thiergarten, Traisbach, Unterbernhards, Wallings, Weihershof, Wiesen, Wittges, Wolferts.

4. Das Oberamt Brückenau umfaßte das Gebiet der Sinn mit den Ortschaften: Breitenbach, Brückenau, Geroda, Mitgenfeld, Modlos, Oberleichtersbach, Römershag, Schildeck, Schondra, Speicherz, Unterleichtersbach, Unterriedenberg, Volkers, Wernarz, Züntersbach (zur Hälfte).

5. Das Oberamt Burghaun an der Haune lag im Nordwesten des Landes. Zu ihm gehörten: Burghaun, Großenmoor, Gruben, Hechelmannskirchen, Herberts, Klausmarbach, Kleinmoor, Langenschwarz, Mahlerts, Michelsrombach, Oberfeld, Oberrombach, Rothenkirchen, Rudolphshan, Schlotzau, Steinbach.

6. Das Oberamt Dermbach im Nordosten des Hochstifts gehörte zum Flußgebiet der Felda. Gelegentlich findet sich auch noch der  Name "Fichberg". Das kleine Amt umfasste: Andenhausen, Brunnhardtshausen, Dermbach, Diedorf, Empftershausen, Klings, Neidhartshausen, Oberalba Unteralba.

7. Das Oberamt Eiterfeld, nach der Burg auch oft Fürsteneck genannt, zerfiel in zwei durch reichsritterschaftliche Gebiete getrennte Gerichtsbezirke. Zumeigentlichen Oberamt zählten: Arzell, Betzenrod, Dittlofrod, Eiterfeld, Körnbach, Leibolz, Leimbach, Malges, Mengers, Oberufhausen, Oberweissenborn, Reckrod, Unterufhausen, Wölf. Die Ortschaften des Haunetals Hermannspiegel, Mauers, Meisenbach, Müsenbach, Neukirchen, Odensachsen und Siegwinden bilden das Gericht Neukirchen.

8. Das Centoberamt Fulda, kurz Centfuld genannt, war das größte. Es erstreckte sich auf beidne Ufern der Fulda bis in das Haunetal über das Gebiet folgender Ortschaften: Bachrain, Bernhards, Besges, Bronnzell, Dietershausen, Dipperz, Dirlos, Dörmbach, Edelzell, Eichenzell, Finkenhain (Mordgraben), Friesenhausen, Giesel, Gläserzell, Haimbach, Horas, Istergiesel, Kämmerzell, Kerzell, Keulos, Kohlhaus, Künzell, Lehnerz (teilweise), Löschenrod, Lüdermünd, Maberzell, Magretenhaun (zur Hälfte), Melzdorf, Mittelrode, Niederrode, Niesieg, Oberrode, Reinhards, Rex, Rodges, Rönshausen, Rothemann, Sickels, Steinau, Steinhaus, Welkers, Wissels, Wisselsrod, Ziegel.

9. Das Oberamt Geisa, auch Rockenstuhl genannt, lag im Flußgebiet der Ulster. Es umfaste Apfelbach, Bermbach, Borbels, Borsch, Bremen, Buttlar, Geblar, Geisa, Geismar, Ketten, Kranlucken, Langwinden, Mieswarz, Motzlar, Otzbach, Reinhards, Schleid, Spahl, Walkes, Wenigentaft, Wiesenfeld, Zitters.

10. Das Oberamt Hamelburg lag ganz im Süden des Fürstentums und reichte bis in das Gebiet der fränkischen Saale. zu ihm gehörten außer der Stadt Hammelburg die Dorfschaften: Diebach, Feurethal, Hundsfeld, Obererthal, Obereschenbach, Pfaffenhausen, Schwärzelbach, Untergeiersnest, Untererthal, Untereschenbach, Wartmannsroth, Westheim.

11. Das Oberamt Haselstein war nur für wenig Ortschaften zuständig: Großentaft, Grüsselbach, Haselstein, Kirchhasel, Rasdorf, Setzelbach, Soisdorf, Treischfeld.

12. Das Oberamt Herbstein wurde durch die riedeselschen Gebiete in zwei Teile zerrissen. Der Kleinere enthielt nur die vom Fürstentum gänzlich erklavierte Stadt Herbstein, der übrige bildete das Gericht Hosenfeld mit den Siedlungen: Brandlos, Hauswurz, Hosenfeld, Pfaffenrod, Poppenrod, Schletzenhausen.

13. Das Oberamt Hünfeld beschränkt sich auf die Stadt.

14. Das Oberamt Mackenzell umfaßt die Unterläufe der Nüst und der Hasel sowie ein Stück des Haunetales: Dammersbach, Großenbach, Hofaschenbach, Hünhan, Mackenzell, Marbach, Morles, Nüst,Oberaschenbach, Rimmels, Rosbach, Rückers, Sagenzell, Silges.

15. Das Oberamt Motten war nur gering an Umfang; zu ihm gehörten: Altglashütten, Dalherda, Kothen, Motten, Neuglashütten, Stellberg, Werberg.

16. Das Oberamt Neuhof hatte seinen Namen nach einer Wasserburg im Fliedetal. Es umfaste: Büchenberg, Buchenrod, Döllbach, Dorfborn, Eichenried, Ellers, Flieden, Hattenhof, Höf und Haid, Kauppen, Magdlos, Mittelkalbach, Neustadt, Niederkalbach, Opperz, Rommerz, Rückers, Schweben, Stork, Veitsteinbach, Zillbach.

17. Das Amt Salmünster bildete eine weit nach Südwesten vorgeschobene Exklave im Kinzigtal mit den Städten Salmünster und Soden und dem Dorf Ahl.

18. Das Amt Salzschlirf war auf das Dorf gleichen Namens und seiner Saline beschränkt.

19. Das Amt Uerzell, ebenfalls eine Exklave im Südwesten, umfaste: Klesberg, Marborn, Neustall, Rabenstein, Rebsdorf, Sarrod, Uerzell, Ulmbach, Weidenau.

20. Das Amt Wehers bildeteden Gerichtsbezirk für die Bewohner der Rhönortschaften: Abtsroda, Altenfeld, Ebersburg, Gackenhof, Gichenbach, Hettenhausen, Lütter, Poppenhausen, Rodholz, Schmalnau, Steinwand, Thalau, Weyhers.

II. Die Domkapitularischen Ämter
21. Die domkapitularsche Audienz war zuständig für einige Vorstädte der Residenz, nämlich die Kellerei Hinterburg, Hospital zum Heiligen Geist, Leinwebergraben und für die Ortschaften bezw. Höfe Dietershan, ein Hof zu Lehnerz, (? die Kalteherberge, der heutige Leipzigerhof), Winnenhof und Ziehers im Gebiet der Centfuld, Hattenroth und Melters im Amt Weyherrs.

22. Das Gericht Lüder bildete einen ziemlich geschlossenen Bezirk im Westen des Landes mit den Ortschaften des Lüdergebietes: Eichenau, Großenlüder, Jossa, Kleinlüder, Lütterz, Malkes, Müs, Oberbimbach, Uffhausen, Unterbimbach.

III. Die propsteilichen Ämter.
23. Das Propsteiamt Andreasberg oder Neuenberg wurde oft auch als Domdechaneiamt bezeichnet, da es stets dem rangältesten Propst, der zugleich Domdechant war, unterstand. Zu ihm gehörten von den Vorstädten der Residenz die Legsfeldergasse, in der Centfuld Dassen, Neuenberg, Pilgerzell und Tiefengruben.

24. Das Propsteiamt Blankenau bildete einen geschlossenen Bezirk im Schwarzatal mit den Orten Blankenau, Gersrod und Hainzell.

25. Das Propsteiamt Johannesberg lag sehr weit zerstreut. Zu ihm gehörten in der Centfuld: Engelhelms, Florenberg, Hamerz, Weimesmühle in der Gemeinde Kerzell, Zell, Zirkenbach; im Oberamt Neuhof: der Hof Geringshauf in der Gemeinde Hattenhof; im Amt Weyhers: Teile von Lütter und das Dorf Ried.

26. Das Propsteiamt Michesberg war zuständig für: die Burkardshöfe (Gemeinde Welkers), den Lanneshof (Künzell) und Niederhorwieden (Rex) in der Centfuld; für Altenhof, den Weiler Memlos (Gemeinde Lütter) und Teile von Sieblos (Gemeinde Abtsroda) im Amt Weyhers.

27. Das Propsteiamt Pertersberg bildete einen ziemlich geschlossenen Bezirk in der Centfuld. Es gehörten dazu: Almendorf, Böckels, Brauhaus (= Dorf Petersberg), Götzenhof, (Gemeinde Steinau), Kriesmühle (Magretenhaun), Teile von Lehnerz, Lingsgrund ( Wisselsrod), Oberhorwieden (Rex), Stöckels.

28. Das Propsteiamt Sannerz bildete eine Exsklave im Süden des Fürstentums mit den Ortschaften: Herolz, Sannerz und Weiperz.

29. Das Propsteiamt Thulba umfaßte ein abgerundetes Gebiet zwischen den Oberänntern Brückenau und Hammelburg mit den Ortschaften: Frankenbrunn, Münchau, Obergersnest, Reith, Schönderling, Seeshof, Gingenrain, Thulba.

30. Das Propsteiamt Zella teilte das Amt Dermbach in zwei Teile: zu ihm gehörten: Föhlritz, Gerstengrund, Glattbach, Hochrain, Lenders, Lindenau, Steinberg, Zella.

Das fürstliche Gut Johannesberg im Rheingau und die Propstei Holzkirchen in Franken bildeten ebefalls eigene Gerichtsbezirke, doch waren diese so gering an Umfang, daß sie nirgends als selbständige Ämter genannt werden. Dazu lagen sie von dem Gebiete des Fürstentums weit ab und wurden wohl niemals recht eigentlich als Teile des Fuldaer Landes empfunden.